SPD-Wahlkampfauftakt in Hamburg:Steinbrück dreht Runden

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Geradezu revolutionär sollte die neue Bühne der SPD sein, mit deren Hilfe der Kanzlerkandidat Steinbrück jetzt in allen größeren Städten die Menschen erreichen will. Dialogisch, wie das die Wahlstrategen nennen. Am Ende aber reden vor allem wieder die da oben und die da unten hören zu.

Von Thorsten Denkler, Hamburg

Es ist schon bald 20 Uhr auf dem Platz vor dem Hamburger Michel. Olaf Scholz, der erste Bürgermeister der Hansestadt hat bereits einiges gesagt, die Wahlkreiskandidaten aus Hamburg auch. Dann natürlich Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Später wieder Scholz und nacheinander die sechs Frauen aus dem Kompetenzteam.

Der Platz ist schon recht leer inzwischen. Kein Wunder. Mehr als zwei Stunden harren jene hier schon aus, die von Anfang an dabei sein wollten bei diesem Wahlkampfauftakt der SPD 45 Tage vor der Wahl. Länger, als ein Kinofilm in der Regel dauert.

Vielleicht sind die die grob geschätzt 3000 Menschen ja auch wegen des neuen Schirms gekommen, auf den die SPD so stolz ist. Er überspannt Bühne und die roten Bierbänke, die sternförmig um die Bühne herum aufgestellt sind. 375 qm groß sei der, lässt sich auf der SPD-Homepage nachlesen. Unter ihm lade die SPD "die Bürgerinnen und Bürger zum Dialog ein".

Nun ja, vielleicht war das mit dem Dialog auch ein Missverständnis. Offene Fragen übers Mikrofon können dem Kandidaten nicht gestellt werden. Dabei wäre das der wohl weitaus spannendere Teil gewesen.

"Niebel raus, Gesine rein!"

Cornelia Füllkrug-Weitzel spricht stattdessen auf der Bühne. Als eine von sechs Frauen aus dem Kompetenzteam von Peer Steinbrück über Powermänner und -frauen in Afrika und Rüstungsexporte. Füllkrug-Weitzel ist für Entwicklungspolitik zuständig. Olaf Scholz, der Erste Bürgermeister der Hansestadt, versucht sich als Moderator. Am Schluss will er wohl witzig sein. "Niebel raus, Gesine rein!", sagt er. Gut, Gesine, Cornelia, das kann schon mal durcheinander geraten.

Später stellt die sich brav mit denen anderen an eine der fünf "Dialog-Boxen", an denen Bürger mit den Fachpolitikern diskutieren können. Ein paar Dutzend Bürger nutzen die Chance.

Das hier ist der Wahlkampfauftakt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Eine Partei, die in diesem Jahr, wie Scholz sagt "140 Jahre alt" wird. Stimmt leider auch nicht, es sind 150 Jahre.

Aber was soll's. Steinbrück hat ja auch Innenminister Hans-Peter Friedrich in seiner Rede zuvor konsequent "Zimmermann" genannt. Der war auch mal Innenminister, und heißt mit Vornamen wie Hans-Peter mit Nachnamen, nämlich Friedrich. Ist aber längst tot.

Es läuft alles nicht rund in diesem Wahlkampf. Die Umfragen sind mies. Die Aussichten auch. Und Steinbrücks Mikrofon hat Aussetzer. Es dauert ein paar Sätze, bis ihm endlich ein anderes gereicht wird. Seine Rede, sagen einige danach, sei "ganz ok" gewesen. Ob "ganz ok" reicht?

Er fängt mit seiner hamburgischen Herkunft an. Sein Vater habe am Bau des Michels mitgewirkt. Und ihm einst ein Stück vom Kupferdach des Wahrzeichens geschenkt. Da berühre es ihn, heute hier zu sprechen.

Danach macht er Merkel runter, weil sie "die Leute einlullt" und "uns alle unterfordert". Stellt die Regierung als "schlechteste seit der Wiedervereinigung" dar und kommt schließlich auch mal dazu zu sagen, was die SPD eigentlich will: Mindestlöhne, Mietpreisbremse, Pflegereform und Steuerhöhungen, um das alles zu finanzieren. Steinbrück dreht dabei Runde um Runde am Rande der Bühne. Es wirkt ein wenig wie ein Nashorn bei einer Buchvorstellung.

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"Die SPD, die mich aufstellt, muss erst noch erfunden werden": Damit lag Peer Steinbrück falsch. Der große Absturz fand nicht statt, die Sozialdemokraten legten unter seiner Führung sogar ein bisschen zu. Ein unkomplizierter Spitzenmann ist er für seine Partei trotzdem nicht gewesen.

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Ein paar Lacher erntet er immerhin, wenn er etwa sagt, er habe keine Hemmungen, die "Kavallerie zu satteln", um gegen Steuerhinterzieher vorzugehen. Die Kavallerie wollte er schon mal gegen die Schweiz einsetzen. Was ihm einige Kritik einbrachte, aber im Volk seine Beleibtheit steigerte. Das wäre jetzt wieder nötig.

So richtig zwingend wirkt das alles nicht. Die Menschen applaudieren brav, als Steinbrück fertig ist. Begeisterung sieht anders aus. Eine Frau überreicht ihm dann tatsächlich noch ein niedliches Kuschelnashorn. Der SPD-Kanzlerkandidat setzt sich an seinen Biertisch zurück. Ein paar Bürger kommen an den Tisch, reden mit Ihm. Doch weitgehend findet der Dialog ohne Beteiligung der Öffentlichkeit statt.

Als geradezu revolutionär hat die SPD diese neue Bühne angekündigt. Am Ende haben auf der Bühne zwei Stunden lang Politiker geredet und die da unten durften zuhören. Neu ist lediglich, dass Steinbrück mitten unter den Zuschauern sitzt und nicht von Sicherheitskräften abgeschirmt auf einer entfernten Bühne.

Was aber richtig gut klappt, das ist sie Sache mit Wetter. Statt des angekündigten Regens Sonnenschein. Aber so wie der Wahlkampf läuft, würden sich die Menschen dafür selbst noch bei Angela Merkel bedanken.

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