SPD:Rückstand Ost

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Es gehe nicht um einen Nachbau West, sondern um einen Vorsprung Ost: SPD-Chefin Andrea Nahles beim Ost-Konvent ihrer Partei. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Mit einem "Zukunftsprogramm" werben die Sozialdemokraten auf ihrem ersten Ost-Konvent um die Wähler in den neuen Ländern. Rechtzeitig vor drei wichtigen Landtagswahlen will die SPD damit einen Trend umkehren.

Von Antonie Rietzschel, Erfurt

"Jetzt ist unsere Zeit", lautet das Motto, unter dem die SPD sich an diesem Wochenende zu ihrem ersten Ost-Konvent versammelt hat. Daraus spricht Kampfgeist, aber ein bisschen Fatalismus lässt sich auch herauslesen. Das passt zur aktuellen Lage der SPD im Osten, wo in diesem Jahr mehrfach gewählt wird.

Im Mai sind Europawahlen und zugleich Kommunalwahlen in mehreren Ländern. Im Herbst werden in Thüringen, Sachsen und Brandenburg neue Landtage gewählt. Die SPD will sich als Partei präsentieren, die Probleme und Zukunftsfragen in den östlichen Bundesländern ernst nimmt. Es gehe nicht um einen Nachbau West, sondern um einen Vorsprung Ost, sagt SPD-Chefin Andrea Nahles in ihrer Auftaktrede. In der betont sie bereits bestehende Vorteile in den neuen Bundesländern, die sie in mehreren Bereichen sieht: beim Impfen, bei der Gesundheitsversorgung und der Kindererziehung. In dem Zusammenhang stelle sich ihr die Frage: "Wie können wir in Westdeutschland endlich die flächendeckende Ganztagsbetreuung hinkriegen, die wir hier schon haben?"

Die Ausgangslage ist für die Ost-SPD nicht einfach: In Brandenburg stellen die Sozialdemokraten zwar noch den Ministerpräsidenten, doch es half ihrem Ansehen nicht, dass sie bei der Aufstellung ihres Spitzenkandidaten für die Europawahl einem Schwindler aufsaßen. In Thüringen könnte die SPD bei der Landtagswahl im Herbst sogar noch unter den zwölf Prozent von 2014 landen. Wolfgang Tiefensee, Spitzenkandidat der thüringischen SPD, tritt nicht mal mehr als Herausforderer gegen den linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow an. Und auch in Sachsen liegt die Partei aktuellen Umfragen zufolge bei gerade einmal neun Prozent. Die einst zwergenhaften Grünen erreichen 16 Prozent. Die SPD-Landesverbände leiden unter der bundesweiten Schwäche der Partei - aber auch unter dem Umgang der Parteispitze mit den neuen Ländern. Nach dem Aufkommen von Pegida und mit der wachsenden Zahl von Übergriffen auf Flüchtlinge fühlten sich viele Ostdeutsche auch von führenden Sozialdemokraten diffamiert. Als es im sächsischen Heidenau zu Ausschreitungen vor einer Asylunterkunft kam, sprach der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel von "Pack", das sich herumtreibe.

Solche Äußerungen verdeckten die durchaus vorhandenen Bemühungen einzelner SPD-Politiker, spezifisch ostdeutsche Themen zu platzieren, etwa der Versuch, die finanzielle Ungleichbehandlung ehemaliger Reichsbahner, Bergbauarbeiter und geschiedener Frauen im Osten auszugleichen. In den vergangenen Wochen erhoben die Sozialdemokraten wiederholt Forderungen, von denen Menschen gerade in Ostdeutschland profitieren sollen: Die vorgeschlagene Grundrente müsse es geben "ohne Wenn und Aber, ohne Bittsteller zu werden in diesem Land", sagte Nahles.

Beim Ost-Konvent legt die SPD nun ein 24-seitiges "Zukunftsprogramm" vor, das besonders die neuen Bundesländer in den Fokus rückt - und dem Eindruck entgegenwirken soll, die neuen Bundesländer seien unterentwickelt. Es gehe nicht um eine Anpassung des Ostens an den Westen, sondern um gleichwertige Verhältnisse, heißt es. Im Zusammenhang mit rechtsextremen Tendenz spricht sich die Partei gegen "billige Pauschalurteile" aus. Die Sozialdemokraten fordern zudem eine neue Steuerverteilung sowie die Ausweitung von in Ostdeutschland angesiedelten Forschungsprojekten zu künstlicher Intelligenz, Batteriezellen und Digitalisierung. Unternehmen, die in Forschung investieren, könnten einen Ostbonus erhalten. Die Umsetzbarkeit hängt freilich vom Willen der Bundes-CDU sowie den Ergebnissen bei den Landtagswahlen ab.

© SZ vom 08.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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