SPD:Nur nicht zweifeln

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Parteichef und Fraktionsvorsitzende haben die Linie früh vorgegeben. Doch die Sozialdemokraten debattieren noch einmal, dann bekräftigen sie ihre Forderung: Neuwahlen.

Von Stefan Braun und Christoph Hickmann

Überdeutliche Botschaft: Martin Schulz will keine große Koalition. (Foto: Michael Sohn/AP)

Es gibt viele Momente, in denen die SPD vor allem mit sich selbst ringt. Zeiten, in denen sie hin- und hergerissen ist bei der Frage, was sie tun soll. Das erlebt man öfter mal, gerade wenn es darum geht, wer sie als Nächster in den Kampf führen soll. Und man konnte es sehr genau studieren, als die Partei der Oberstudienräte und der Oberbürgermeister in der Flüchtlingskrise nach ihrem Kurs suchte.

In einer Frage allerdings ist sie seit zwei Monaten so geschlossen und entschieden, dass es schon fast etwas für die Geschichtsbücher wäre. Egal wo man hinhört, alle in der SPD haben nach dem 24. September erklärt, dass die Sozialdemokraten für eine große Koalition nicht zur Verfügung stünden. Noch am Sonntag wiederholten Parteichef Martin Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles diese Linie. Schulz erklärte, die Partei sei nicht für eine große Koalition gewählt worden. Und Nahles ergänzte, wenn Jamaika scheitern sollte, könne es nur Neuwahlen geben.

Nun muss man hinzufügen, dass Nahles' klare Linie immer verbunden war mit ihrer Überzeugung, dass Jamaika sowieso kommen würde. Noch wenige Stunden vor dem Scheitern hatte sie Wetten angeboten. Könnte es also sein, dass sich angesichts der neuen Lage plötzlich etwas ändert?

Diesen Eindruck hat am Montag der Noch-Generalsekretär Hubertus Heil erweckt, wenn auch unfreiwillig. Er betonte vor der morgendlichen SPD-Vorstandssitzung, seine Partei habe enormen Gesprächsbedarf, deshalb werde sich der Auftritt des Parteichefs verschieben.

In der mehrstündigen Debatte im Bundesvorstand war aber bald klar, dass die SPD-Führung ihre Meinung nicht mehr ändern möchte. Sie hat sich ihrer selbst vergewissert. Und klargemacht, dass sie ihre Linie nicht verlassen werde. So ist es auch in einem Beschluss festgehalten, der einstimmig angenommen wurde: "Wir stehen angesichts des Wahlergebnisses vom 24. September für den Eintritt in eine große Koalition nicht zur Verfügung."

Bleibt nur die Frage, ob die SPD sich wirklich so einig ist, wie es der Beschluss suggeriert. Und tatsächlich waren in der Vorstandssitzung offenbar auch Zwischentöne zu vernehmen. Zwar gab es dort niemanden, der ein Plädoyer für ein neuerliches Bündnis mit der Union gehalten hätte. Doch es gab eben die eine oder andere Frage, die aufgeworfen wurde.

"Nix da, ich bin draußen, und da bleibe ich auch", sagt Sigmar Gabriel

Da war zum Beispiel der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der in seinem Bundesland gerade erst eine große Koalition zusammengezimmert hat. Man müsse sich fragen, wohin die Reise gehe, so wurde er sinngemäß von Teilnehmern zitiert. Wer jetzt die große Koalition ausschließe, könne ihr schnell wieder begegnen. Irgendwann brauche das Land ja eine stabile Regierung. Da wurde klar: Hier versucht einer zumindest, die Konsequenzen mitzudenken.

Genauso wie Heiko Maas, der geschäftsführende Justizminister, der aus fachlicher Perspektive die Verfassungslage referierte - aber eben nicht nur. Wenn man nun die große Koalition ausschließe, so wurde er zitiert, dann werde man in einem womöglich folgenden Wahlkampf sofort die Frage gestellt bekommen, wie es nach einer Neuwahl aussehe. Und: Man müsse darauf achten, dass man seine Entscheidungen nicht nur daran bemesse, was einem beim nächsten Parteitag helfe. Stattdessen müsse man danach entscheiden, was für das Land das Beste wäre. Doch auch Maas trug den Beschluss mit.

Andere hingegen gaben sich deutlich feuriger, als es darum ging, die große Koalition auszuschließen, etwa Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die sich damit auf einer Linie mit Parteichef Schulz und Fraktionschefin Nahles befand. Sie verwies laut Teilnehmern darauf, dass es eine Frage der Glaubwürdigkeit sei, bei der einmal eingenommenen Haltung zu bleiben.

So stand am Ende der eindeutige Beschluss. Zumindest für diesen Tag. Und Parteichef Schulz konnte vor der Presse noch einmal an das Wahlergebnis erinnern. Die Union habe damals mehr als acht, die SPD mehr als fünf Prozent verloren; das sei ein überdeutlicher Beleg, dass die große Koalition abgewählt wurde.

Blöd an dem Auftritt war nur, dass die SPD sich festlegte, bevor der Bundespräsident auftrat. Denn Frank-Walter Steinmeier las nicht nur den Jamaika-Sondierern die Leviten, sondern auch seinen Sozialdemokraten. Alle Parteien seien dem Gemeinwohl verpflichtet, es gehe um mehr als um die Interessen der eigenen Leute: "Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in Händen hält." Klingt nicht so schön für einen, der gerade entschieden hat, sich in die Büsche zu schlagen.

Am Abend tagte dann noch die Fraktion im Bundestag. Und das war auch, wenn man so will, etwas blöd für den Parteivorsitzenden. Der Abgeordnete Bernd Westphal plädierte dafür, die große Koalition nicht rundweg auszuschließen. Er sei da ganz anderer Auffassung als Schulz.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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