SPD:"Niemand möchte Koalitionskrach"

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Wie sich die Sozialdemokraten auf ein Ende des Regierungsbündnisses mit der Union vorbereiten. Forcieren wollen sie das aber, trotz aller gegenteiligen Mutmaßungen, gar nicht einmal so dringend.

Von Mike Szymanski

Kritik an ihren Plänen für einen neuen Sozialstaat? Bei der SPD herrscht die Meinung vor: aber bitte, nur her damit! Die CDU hält der SPD vor, die soziale Marktwirtschaft zu beerdigen? Da schmunzelt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil am Rande der SPD-Vorstandsklausur. "Das ist sicher Quatsch", sagt er. Und der "ideologische Linksruck", den etwa die CSU befürchtet und der zum Problem für die Regierung werden könnte? "Niemand möchte einen Koalitionskrach", sagt Parteivize Manuela Schwesig. Nur um zu ergänzen: Die Union könne ja gerne "mitziehen", bei der aufgebesserten Grundrente für Geringverdiener etwa. Es gehe doch lediglich darum, etwas für die Menschen zu machen. Das wiederum stimmt nur bedingt: Die SPD tut gerade auch kräftig etwas für sich selbst.

Die SPD müht sich mit ihrem neuen Papier um eins: sich selbst Orientierung geben

Sie bezieht in sozialen Fragen Stellung, so deutlich und klar wie lange nicht mehr. Und je mehr die Union aufheult, umso besser ist das für die SPD. Findet auch Parteichefin Andrea Nahles: "Wenn andere sich daran reiben: gut!", sagt sie am Montag. Ein oft besonders von den eigenen Leuten mit Verve vorgebrachter Vorwurf an die SPD lautet, sie habe sich an der Seite der Union um den Erfolg regiert, es sei nicht klar, wofür die Sozialdemokratie noch stehe. Seit Sonntag, der Tag, an dem der Vorstand ein neues Sozialstaatsmodell beschlossen hat, zeigen sich Konturen: höhere Renten für Geringverdiener, bessere Löhne, Hilfe statt Härte bei Arbeitslosigkeit, mehr Leistungsgerechtigkeit. Für den Moment ist das alles Theorie, auf 17 Blatt Papier. Für die SPD ist die Wirkung dennoch kaum zu unterschätzen, denn es gibt ihr Orientierung. Nicht ohne Grund beginnen die Passagen zu den Forderungen mantrahaft immer gleich: "Was wir wollen: .

. ." Weil eben in dem Papier vieles steht, was die Koalitionspartner CDU und CSU gerade nicht wollen, liegt die Vermutung nahe, die SPD leite damit auch ihren Ausstieg aus der großen Koalition ein. In jedem Fall ist das Konzeptpapier dafür gedacht, die SPD auf die Zeit danach vorzubereiten. Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider sagt, die SPD markiere ihre inhaltliche Grundausrichtung für die "nächsten fünf bis zehn Jahre". Sie setzt sich damit auch von Sozialstaatskonzepten der Grünen und der Linken ab, indem die SPD konsequenter Arbeit als Ausgangspunkt vieler ihrer Überlegungen definiert.

Wer die Genossen am Rand der Klausur anspricht, bekommt aber nicht den Eindruck, dass die SPD es mit dem Ende der Koalition besonders eilig hat. "Sie wird länger halten, als viele heute meinen", sagt eine Person aus der Parteispitze. Die SPD braucht Zeit, um wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen. Mit einem Konzeptpapier allein lässt sich eine Neuwahl kaum bestreiten. Ende des Jahres will die Partei bilanzieren, wie viel von dem, was SPD und Union sich vorgenommen haben, umgesetzt wurde. Nach Lage der Dinge dürfte das gar nicht mal so wenig sein, ein Ausstieg wäre nicht leicht zu vermitteln. Das sagt auch der Niedersachse Weil. Die Arbeit der Koalition, findet er, mache einen "deutlich gefestigteren Eindruck" als noch im vergangenen Jahr: "Insofern bin ich guten Mutes, wenn ich auf 2019 und den Rest der Legislaturperiode schaue." Und wenn es doch anders kommt? Dann trifft dies die Partei eben nicht mehr ganz so unvorbereitet.

© SZ vom 12.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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