SPD:Kurzer Auftritt vor der Basis

Lesezeit: 2 min

Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bewerben sich für den SPD-Parteivorsitz. (Foto: Carsten Koall/dpa)

17 Bewerber, 23 Konferenzen, neun Minuten pro Redner: Die Kandidaten für den SPD-Vorsitz beginnen ihre Vorstellungstour. Viele kritisieren die Groko.

Von Susanne Höll und Mike Szymanski, Berlin

Die Gegner der großen Koalition in der SPD verschärfen ihre Kritik. Vor dem Beginn der Regionalkonferenzen am Mittwoch, auf denen sich die Kandidaten für die Parteispitze vorstellen, sprachen sich zwei der acht Bewerberteams noch einmal gegen das Bündnis aus Union und SPD aus. Norbert Walter-Borjans, früherer Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, der mit der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken antritt, sagte am Dienstag, die große Koalition biete "keine Grundlage", um an den Themen, die der SPD wichtig seien, wirkungsvoll zu arbeiten und zu Lösungen zu kommen. Zudem spreche der Verlauf der Zustimmungswerte für die SPD in der Zeit der großen Koalition Bände.

Auch Fraktionsvize Karl Lauterbach, der mit der Umweltpolitikerin Nina Scheer antritt, lehnt das Bündnis ab. Er fühlt sich durch den Ausgang der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen vom Wochenende bestärkt. In beiden Ländern konnte die rechtspopulistische AfD enorme Zuwächse verbuchen. "Die große Koalition führt nicht dazu, dass wir die Verfestigung, ja möglicherweise sogar den Aufstieg der AfD in Deutschland verhindern", sagte Lauterbach vor Journalisten. "Das ist ein sehr hoher Preis für die Demokratie." Er und Scheer wollen die SPD aus dem Bündnis herausführen, sollten sie an die Spitze gewählt werden.

Im Bewerberfeld sind die Kritiker der großen Koalition in der Mehrheit

Die Parteispitze will die Delegierten auf dem Parteitag im Dezember über die Fortsetzung der großen Koalition entscheiden lassen. Die klaren Äußerungen sind auch deshalb bemerkenswert, weil die Parteiführung nach Kräften versucht, die Frage nach dem Verbleib in der großen Koalition als nachrangig zu behandeln. Generalsekretär Lars Klingbeil betonte am Montag, es gehe vielmehr um die großen Zukunftsfragen für die SPD. Scheer sagte aber, sie und Lauterbach würden sich nicht davon abbringen lassen, die Frage nach der Zukunft der großen Koalition zum Thema zu machen. Im Bewerberfeld bilden die Kritiker und Gegner die Mehrheit.

Das Team Walter-Borjans/Esken wird zudem von Juso-Chef Kevin Kühnert unterstützt. Kühnert hatte bereits das Lager der Groko-Gegner angeführt, als die SPD Anfang 2018 mit sich rang, abermals in die große Koalition einzusteigen. Walter-Borjans erklärte, von Kühnert zur Kandidatur ermuntert worden zu sein: "Das war ein Grund, es zu machen." Er hatte dann noch die Unterstützung des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen eingefordert.

An diesem Mittwoch startet in Saarbrücken die Reihe der insgesamt 23 Regionalkonferenzen, bei denen sich die Kandidaten den Mitgliedern vorstellen. Diese sollen entscheiden, wer künftig die SPD führt. Schon jetzt wird Kritik am Verfahren geäußert. Acht Teams und ein Einzelbewerber sollen sich in maximal zweieinhalb Stunden präsentieren. Lauterbach hat ausgerechnet, dass ihm wohl lediglich neun Minuten blieben, um seine Standpunkte klarzumachen - zu wenig, um von sich überzeugen zu können, findet Lauterbach. "Das ist kein Verfahren, in dem man sich profilieren kann."

Der kommissarische Ko-Chef der Bundes-SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, rechtfertigte das aufwendige und öffentlich stark kritisierte Auswahlverfahren. "Im Grundsatz ist es gut", sagte er am Dienstag in Wiesbaden. Von Mitgliedern bekomme er positive Resonanz. In den Regionalkonferenzen sollten hauptsächlich die aus Mitgliedersicht wichtigen Fragen von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit diskutiert werden. Der scheidende hessische Landes- und Fraktionschef räumte ein, dass die Regionalkonferenzen den 17 Kandidaten und der gesamten Partei große Disziplin abverlangten. "Aber jeder wird mehr Zeit haben als die 20 Sekunden, die man gemeinhin bei einem TV-Statement hat", sagte er. Dieses Verfahren soll auch nicht zur Regel werden.

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: