SPD:Kühnert irritiert und korrigiert

Lesezeit: 2 min

Juso-Chef muss nach Interview Missverständnisse ausräumen.

Ein Zitat von Kevin Kühnert verursachte am Mittwoch Aufregung. (Foto: Marius Becker/dpa)

Jede Wortmeldung, die die Themen SPD, Koalition und Ausstieg in einen Sinnzusammenhang bringt, wird wenige Tage vor dem Parteitag in Berlin aufmerksam studiert. Am Mittwochmorgen war die Aufregung daher groß, als die Agenturen titelten: "Juso-Chef Kevin Kühnert warnt seine Partei nun vor einem vorschnellen Ausstieg". Jener Kühnert etwa, der monatelang durch die Republik gereist war mit seinem Motto: Raus aus der großen Koalition? Ja, genau der, und zum Beweis wurde folgendes Zitat Kühnerts aus der Rheinischen Post angeführt: "Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der Kontrolle aus der Hand, das ist doch eine ganz nüchterne Feststellung." Das sollten die SPD-Delegierten des Parteitags am Wochenende berücksichtigen, wenn sie über ihre Anforderungen an die Koalition beschließen. "Nicht weil sie Angst bekommen sollen, sondern weil Entscheidungen vom Ende her durchdacht werden müssen", wird Kühnert zitiert, der sich auf dem Parteitag für den Vizevorsitz bewirbt.

Mittags lauteten die Nachrichten wieder anders: Begleitet von den Worten "Leute, Puls runterfahren" verbreitete Kühnert auf Twitter ein Video. Darin betont er, seine ablehnende Haltung zum Regierungsbündnis mit der Union habe sich nicht geändert. Er habe "keine Angst, mit der SPD in den nächsten drei Monaten, wenn es sein muss, in einen Bundestagswahlkampf zu gehen. An mir soll's nicht scheitern." Er habe in dem Interview nur den Hinweis gegeben, dass Delegierte auf einem Parteitag überlegen sollten, was nach ihrer Entscheidung passiere. Das sei kein Votum für oder gegen einen Ausstieg aus der Koalition, sagte der 30-Jährige. Sein Fazit: "Das relativiert meine Ablehnung zur großen Koalition kein bisschen."

Weiter führte Kühnert aus: Ob die Regierung halte, hänge davon ab, "ob Union und SPD nach den Gesprächen diesen ewigen Verhandlungsmodus dann auch mal zufriedenstellend beenden können". Es müsse irgendwann eine finale Entscheidung fallen: "Und die gilt dann - so oder so." Auf dem Parteitag sollen die Koalitionskritiker Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu neuen Parteivorsitzenden gewählt werden. Sie hatten sich bei einem Mitgliederentscheid durchgesetzt und den Fortbestand der Koalition von inhaltlichen Forderungen an die Union abhängig gemacht. Der Entwurf des Leitantrages für den Parteitag sieht aber keine Abstimmung über die Koalition vor. Die inhaltlichen Forderungen etwa zur Klimapolitik, für höhere Investitionen oder einen höheren Mindestlohn sind weicher gefasst.

Trotzdem gibt es weitere Wortmeldungen zum Thema. Die einstige Mitbewerberin um den Parteivorsitz, Simone Lange, warnte das designierte Vorsitzendenduo vor zu großen Kompromissen. "Vor Neuwahlen sollten wir nie Angst haben, wir sollten sie als Chance begreifen, in einer anderen Koalition regieren zu können", sagte sie der Welt. Aus Sicht des langjährigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse wird die Wahl von Walter-Borjans und Esken das Dilemma seiner Partei noch verschärfen. Im Berliner Tagesspiegel wies er darauf hin, dass die Beteiligung an der SPD-Befragung zum Koalitionseintritt größer gewesen sei als an der Vorsitzendenwahl - und die Zustimmung ebenfalls. "Ein Nichtausstieg jetzt beschädigt aber die Glaubwürdigkeit von Esken/Borjans", so Thierse. Ein Koalitionsausstieg dagegen gefährde wichtige Erfolge der SPD.

Auch Ex-Parteichef Franz Müntefering untermauerte seine Warnungen. "Man kann natürlich jetzt neue, überzogene Forderungen stellen, um das Ding knallen zu lassen. Aber das wäre falsch. Wer jetzt erkennbar die Schuld am Scheitern der Koalition auf sich lädt, wird keinen Ruhm ernten, sondern von den Wählern die Quittung bekommen", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger.

© SZ vom 05.12.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: