SPD:Kater Sigmar

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Gabriel schreibt ein Papier, und auch andere SPD-Minister blähen noch einmal die Backen auf. Sie tun dabei so, als seien sie weiterhin an der Macht. Dabei steht ihre Partei nun vor einer ganz anderen Herausforderung.

Von Nico Fried

Am Sonntag hat Sigmar Gabriel seiner SPD eine Prognose gestellt: In einem halben Jahr werde der "Katzenjammer" darüber einsetzen, dass man nicht mehr an der Regierung beteiligt sei, sagte der frühere Parteichef und noch amtierende Vizekanzler. Gabriel lag falsch. Es hat nicht ein halbes Jahr gedauert, sondern nur eine halbe Woche. Und der erste Kater, der jammert, heißt Sigmar Gabriel.

Der Außenminister auf Abruf hat soeben noch einmal ein Papier geschrieben, ein intensives Plädoyer für die europapolitischen Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und eine bittere Abrechnung mit der finanzpolitischen Hermetik seines Noch-Kabinettskollegen Wolfgang Schäuble. Gabriel fordert mehr Mut und Klugheit in der deutschen Europapolitik und deren Koordinierung im Auswärtigen Amt, gerade so, als werde der Chef dort weiter Sigmar Gabriel heißen. Es ist ein engagiertes Papier, eines Außenministers durchaus würdig - womit zugleich sein Problem beschrieben ist.

Denn die fünf Seiten enthalten noch eine Botschaft zwischen den engen Zeilen: Gabriel schildert, was nach seinem Empfinden künftig sein sollte, aber er meint vor allem, was zu seinem Bedauern nicht mehr sein wird. Eine Regierung ohne Sozialdemokraten bleibt eben nicht folgenlos. Gabriel hat mithin eine europapolitische Konkretisierung dessen zu Papier gebracht, was seine Genossen ein wenig leichtfertig in den Satz packen, die Rolle der SPD sei nun einfach die der Opposition.

Die Minister der Partei tun so, als seien sie weiter an der Macht

Man hört solche düsteren Beschreibungen auch von anderen Sozialdemokraten. Die abgetretene Arbeitsministerin Andrea Nahles zum Beispiel hat jüngst den Gewerkschaften vorausgesagt, dass sie für viele ihrer Forderungen von einer neuen Regierung nicht mehr dieselbe Unterstützung zu erwarten hätten wie von der mit SPD-Beteiligung. Die noch amtierende Umweltministerin Barbara Hendricks hat schon ganz im Gestus der Oppositionspolitikerin eine Klimabilanz vorgelegt, als habe sie vier Jahre lang nichts damit zu tun gehabt. All das sind Rufe aus dem politischen Niemandsland zwischen Macht und Machtlosigkeit. Der sozialdemokratische Geist bläht noch einmal die Backen, ehe er in der fest verkorkten Flasche der exekutiven Bedeutungslosigkeit verschwindet.

Tatsächlich hat das Wahlergebnis den Sozialdemokraten ja kaum eine andere Chance gelassen. Und richtig ist natürlich auch, dass die Opposition in der Demokratie eine wichtige Rolle spielt, wenn auch nicht ganz so wichtig, wie es sich die SPD seit Wochen einredet. Doch nun erfährt sie schmerzhaft, dass das, was sie zu sagen hat, immer weniger bewirkt, wenn es in einer Republik auf Jamaika-Kurs überhaupt noch jemanden interessiert.

Die Botschaften der scheidenden Minister sind Wortmeldungen einer Sozialdemokratie, die sich mit der Regierung noch immer auf Augenhöhe wähnt. Von der ersten Sitzung des Bundestages an aber wird die SPD erleben, dass ihr Ziel ein ganz anderes sein muss: als die führende Kraft der Opposition wahrgenommen zu werden.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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