SPD:Homöopathische Erneuerung

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Natascha Kohnen, die bayerische Landeschefin der SPD, soll als Vize in den Bundesvorstand aufrücken und dort Aydan Özoğuz aus Hamburg nachfolgen. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Eine Bayerin soll einer Hamburgerin nachfolgen - ansonsten wird sich in der Parteispitze wenig ändern.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Das sozialdemokratische Wort der Stunde lautet: Erneuerung. Seit der Wahl wird sie beschworen, verlangt, versprochen. Auch die Regionalkonferenzen, bei denen die Basis ihre Sorgen, Nöte und Wünsche hinterlegen darf, stehen unter der Überschrift "SPD erneuern". Was die inhaltliche Erneuerung angeht, dürfte man allerdings erst im nächsten Jahr klarer sehen - schließlich ist die Parteispitze derzeit noch damit beschäftigt, Fragen zu stellen. Personell hingegen ist man schon ein bisschen weiter. Hier zeichnet sich mittlerweile ziemlich klar ab, wie die engste SPD-Spitze nach dem Parteitag im Dezember aussehen wird - wie viel oder wenig Erneuerung es also geben dürfte.

Um ganz oben zu beginnen: Martin Schulz, im März mit 100 Prozent zum Vorsitzenden gewählt, will wieder antreten - und derzeit ist trotz aller Kritik an ihm nichts in Sicht, was seine Wiederwahl verhindern könnte. Zwar hatte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz zuletzt diverse Nadelstiche gegen Schulz gesetzt und auch die Frage offengelassen, ob er selbst sich doch noch um den Vorsitz bewerben könnte - doch derzeit deutet nichts darauf hin, dass ausgerechnet der stets eher abwartende und in der Partei allenfalls mäßig beliebte Scholz beim Parteitag die offene Auseinandersetzung suchen könnte.

Stattdessen dürfte er wieder für einen der Stellvertreterposten kandidieren und auf ein achtbares Ergebnis hoffen. Doch diverse Schulz-Unterstützer könnten ihm seine Wortmeldungen der vergangenen Wochen heimzahlen. Selbst unter den Schulz-Kritikern sind einige enttäuscht von Scholz: Schließlich habe er zwar dazu angesetzt, den Finger zu heben, dies dann aber nicht durchgezogen. Und wenn er nicht antreten wolle, solle er auch die Nadelstiche lassen - so argumentierten zuletzt manche Genossen, die zwischenzeitlich sogar Hoffnung in Scholz gesetzt hatten.

So weit also erst mal: keine Erneuerung. Auch zwei weitere stellvertretende Parteichefs wollen wieder antreten: der Hesse Thorsten Schäfer-Gümbel und Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein. Schäfer-Gümbel hat im nächsten Jahr eine Landtagswahl zu bestehen - und Stegner? Stegner, der auch im eigenen Landesverband in der Kritik steht und in weiten Teilen der Öffentlichkeit als Verkörperung der Funktionärs-SPD gilt? Das mag in dieser Härte ungerecht sein, doch wie geht die Personalie mit dem Bekenntnis zur Erneuerung zusammen? Eigentlich gar nicht - aber Stegner repräsentiert an der Parteispitze den linken Flügel, der auch zuletzt zu ihm stand. Vor allem aber hielt er nach der Wahlniederlage Ende September und trotz aller Fehler eisern zu Schulz. Ihm dürfte bewusst gewesen sein, dass er unter einem anderen Vorsitzenden, also bei einem echten Neuanfang, womöglich hätte weichen müssen.

Die Jungen hatten überlegt, die Juso-Chefin nach oben zu hieven. Das lassen sie jetzt aber doch

Wo also bleibt die Erneuerung? Die soll vor allem bei den Frauen stattfinden. An Stelle von Hannelore Kraft, die ihren Vize-Posten nach der verlorenen nordrhein-westfälischen Landtagswahl geräumt hat, kandidiert nun Malu Dreyer, Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz. Und für die Hamburgerin Aydan Özoğuz soll Natascha Kohnen zur Stellvertreterin aufsteigen, Chefin der Bayern-SPD und Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Außerdem wird Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern, wieder als stellvertretende Vorsitzende antreten.

Von den Jusos war zwischenzeitlich die Forderung gekommen, die Zahl der Stellvertreter auf sieben zu erhöhen, um die scheidende Juso-Chefin Johanna Uekermann auf einen der Vize-Posten zu hieven. Bei einer Sitzung der engsten Parteiführung am vergangenen Sonntag war man sich allerdings einig, es bei sechs Stellvertretern zu belassen. Damit scheint nur noch die Frage offen zu sein, ob Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil doch noch für einen der Vize-Posten kandidiert. Er hat sich das bislang offengehalten.

Immerhin soll es in Lars Klingbeil, 39, einen neuen Generalsekretär und damit ein bisschen Erneuerung geben. Als Schatzmeister kandidiert wieder Dietmar Nietan - ein alter Wegbegleiter des Parteivorsitzenden Schulz.

© SZ vom 17.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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