SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi:Chemikerin im Themenlabor

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Yasmin Fahimi bei ihrer Wahl auf dem SPD-Parteitag im Januar 2014. 88,5 Prozent der Delegierten stimmten damals für sie als Generalsekretärin. (Foto: Getty Images)

Die SPD-Generalsekretärin ist seit fünf Monaten im Amt. Doch außerhalb der Parteizentrale wird sie in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Das bringt ihr zunehmend Kritik der Genossen ein.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Der Dienstagmorgen war ein guter Morgen für Yasmin Fahimi. Weil die Generalsekretärin der SPD gesagt hatte, die Union solle zum Mindestlohn stehen, wurde sie im Deutschlandfunk zitiert. Das war zuletzt nicht so häufig vorgekommen.

Am Mittwochmorgen aber war dann alles wie immer: In den Nachrichten wurde nicht Fahimi zitiert, sondern Ralf Stegner. Der wäre gern Generalsekretär der SPD geworden und wurde, als Fahimi den Posten bekam, mit dem Amt eines stellvertretenden Parteichefs abgefunden. Das nutzt er seither, um sich zu ungefähr jedem erdenklichen Thema zu äußern, so auch am Mittwoch in der Bild: "Frau Merkel soll in ihrem Laden für Ordnung sorgen, damit das Genöle gegen den Mindestlohn aufhört."

Es war, mal wieder, das prägnantere Zitat. Stegner, der sich übrigens auch am Dienstag schon geäußert hatte, war wieder allein auf der Bühne. Und hatte Fahimis Problem noch ein bisschen vergrößert.

Mancher Genosse spricht von einer Fehlbesetzung

Fahimi, 46, Chemikerin, kommt von der IG Bergbau, Chemie, Energie (mit deren Chef Michael Vassiliadis sie in einer Beziehung lebt) und ist seit fünf Monaten Generalsekretärin der SPD, also in der Partei die wichtigste Person hinter dem Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Davon allerdings hat man bislang nicht allzu viel bemerkt.

Fahimi ist nicht die einzige Neubesetzung auf diesem Posten, auch bei CDU und CSU kamen nach der Bundestagswahl frische Generalsekretäre ins Amt - doch über Peter Tauber von der CDU weiß man seither etwa, dass er ein Fan der " Star Wars"-Saga ist, während man von seinem CSU-Kollegen Andreas Scheuer immerhin die Umstände kennt, unter denen er seinen sogenannten kleinen Doktorgrad erworben hat. Von Fahimi hingegen weiß man nicht viel und hört man nicht viel.

Sie hat es, zugegeben, auch schwerer als ihre zwei Kollegen, die beide im Bundestag sitzen, also erstens im politischen Berlin bereits vernetzt waren und zweitens mit dem Parlament noch eine weitere Bühne haben. Trotzdem erzählen Fahimis Parteifreunde mittlerweile viele nicht so nette Sachen über sie. Die Generalsekretärin sei außerhalb der Parteizentrale kaum wahrnehmbar, so lautet die Klage unter zahlreichen Genossen in Berlin - und mancher, der gern etwas schärfer formuliert, spricht bereits jetzt von einer Fehlbesetzung.

Fahimi sei geprägt durch die Gewerkschaftsarbeit - doch ob sie die Parteiarbeit beherrsche, wisse man noch immer nicht. Das Bild der SPD, so sagen es viele im Schutz der Anonymität, werde allein von den sozialdemokratischen Ministern in der Regierung geprägt - die Partei hingegen komme nur noch vor, wenn Ralf Stegner übernehme. Also: Woran liegt es, was fehlt?

Fahimi selbst sagt es so: "Ich möchte mich nicht treiben lassen, sondern mache die Dinge lieber sorgfältig." Und: "Jeder hat seinen eigenen Stil. Mein Stil ist es nicht, sich reflexhaft zu jedem Thema zu äußern. Ich wähle lieber genau aus, wann ich mich in eine Debatte einschalte."

Aber was macht sie eigentlich sonst? Parteitage vorbereiten, zum Beispiel. Im Parteivorstand ging es neulich um die Frage, wo die SPD-Delegierten Ende 2015 zusammenkommen sollen. Fahimi verkündete, als Ort sei Berlin vorgesehen - was Katrin Budde auf die Palme brachte, die SPD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt.

Dort wird Ende nächsten Jahres Landtagswahlkampf sein - für die Bundespartei normalerweise ein Anlass, den Parteitag dorthin zu legen, um etwas von der Aufmerksamkeit auf die Region zu lenken. Budde erkundigte sich also aufgebracht, warum das diesmal anders sei - und Fahimi beschied ihr sinngemäß, man habe andere Optionen geprüft, aber nun sei die Sache eben entschieden. Budde war nun wütend. Am Ende entschied man, dass man das Ganze noch einmal prüfen werde.

Wer Fahimi wohlgesonnen ist, führt für sie ins Feld, dass sie durchaus schlüssig argumentiert habe - etwa mit der Kostenfrage. Zudem gebe es in Sachsen-Anhalt keine geeignete Halle. Trotzdem bestreitet niemand, dass ihr Ton in der Situation nicht unbedingt glücklich gewählt war.

Die Sache mit der Schlangengrube

Das ist der zweite Punkt, über den manche klagen: dass sie zu kühl im Umgang sei, teilweise unnötig hart. Selbst ihre Verteidiger räumen ein, dass sie nicht immer gelungen formuliere, etwa gleich nach ihrem Amtsantritt im Willy-Brandt-Haus: In den Wochen zuvor war sie mehrmals damit konfrontiert worden, dass die Parteizentrale als Schlangengrube gelte - und hielt es offenbar für eine gelungene Ironisierung, die versammelten Mitarbeiter sinngemäß mit den Worten zu begrüßen, sie seien also die Schlangen. Bei manchen kam die Ironie an. Bei anderen nicht.

Womit sich Fahimi derzeit beschäftigt? Unter anderem mit sogenannten Themenlaboren. Die heißen in schöner sozialdemokratischer Diktion "Neue Verantwortungskultur, neue Bürgerthemen", "Eine gerechte und friedliche Welt" oder "Kommunales und Lebensumfeldgestaltung" und sollen Stoff für den nächsten großen Wahlkampf erarbeiten. Fahimis Kritiker mokieren sich darüber, dass sie sich selbst in der Hochphase des Europawahlkampfs mit solch theoretischem Zeug beschäftigt habe.

Auf der anderen Seite: Was sollte sie machen? Den Europawahlkampf leitete Matthias Machnig. Der hat auch schon Wahlkämpfe für Gerhard Schröder geführt und nimmt es an Selbst- sowie Sendungsbewusstsein mit dem Altkanzler auf. Faktisch war er bis zum Wahlabend der Generalsekretär. "Yasmin Fahimis Amtszeit hat so richtig eigentlich erst am 26. Mai begonnen", heißt es aus ihrem Umfeld.

Das Umfeld

Bei allem Verständnis für die Mechanismen des Geschäfts müsse man sich ein bisschen gedulden, schließlich sei ihr Büro erst seit Mitte Mai komplett, heißt es dort auch. Sie müsse ja nicht nur Pressearbeit machen und die Parteizentrale neu organisieren, aus der viele Mitarbeiter in die SPD-geführten Ministerien gewechselt sind - dafür holt sie jetzt Organisationsberater ins Haus. Sie müsse sich parallel dazu auch erst mal in der Partei bekannt machen - anders als ihre Vorgängerin Andrea Nahles.

Und schließlich gebe es noch immer keinen Bundesgeschäftsführer, weshalb Fahimi neben den politischen Angelegenheiten viel Organisation erledigen müsse.

Wenn man das richtig versteht, soll man von Yasmin Fahimi also noch einiges erwarten. Fragt sich nur noch, wann es losgeht.

© SZ vom 12.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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