SPD-Kandidaten:Wer künftig die SPD anführen könnte

Von konservativ bis "ziemlich links", von gänzlich unbekannt bis Finanzminister: Das sind die Bewerberduos, die an die SPD-Spitze wollen.

Von Philipp Saul

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(Foto: dpa)

Die Zeit der Ungewissheit ist bald vorbei: Am Samstag gibt die SPD das Ergebnis des Mitgliederentscheids bekannt. Erzielt kein Duo mehr als 50 Prozent, gibt es eine Stichwahl. Endgültig gewählt wird der Vorstand auf dem Parteitag Anfang Dezember in Berlin. Auf 23 Regionalkonferenzen haben sich die Kandidaten für den SPD-Parteivorsitz der Basis vorgestellt. Für die Bewerber war es eine anstrengende, kräftezehrende Tour. Durchschnittlich mehr als 8000 Kilometer haben die Teams zwischen den einzelnen Veranstaltungsorten zurückgelegt. Bei der Basis fanden die Regionalkonferenzen Zuspruch. Aus dem Publikum wurden mehr als 500 Fragen an die Kandidaten gestellt. Zu jedem Termin kamen Hunderte, manchmal auch mehr als 1000 Besucher. Insgesamt waren nach Parteiangaben etwa 20 000 SPD-Mitglieder bei den Regionalkonferenzen. Dazu kommen noch diejenigen, die im Video-Stream zugeschaut haben. Insgesamt hat die SPD etwa 430 000 Mitglieder, von denen 123 010 nach etwas mehr als der Hälfte des Abstimmungszeitraums ihre Stimme abgegeben haben. Eine präzise Vorhersage ist kaum möglich, jedoch lässt sich in manchen Fällen anhand der Regionalkonferenzen ein grobes Stimmungsbild erkennen.

Gesine Schwan und Ralf Stegner

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(Foto: dpa)

Wer sind sie? Sie sind ein sehr unterschiedliches Duo. Gesine Schwan, 76, gehört zum konservativen Flügel der SPD und sitzt der SPD-Grundwertekommission vor. Die ehemalige Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin hat als Politikprofessorin eine universitäre Karriere hinter sich und kann aus der sozialdemokratischen Geschichte die Bedeutung der SPD ableiten. Sie ist die älteste Kandidatin. Der Parteilinke Ralf Stegner, 60, ist ein medial omnipräsenter Kommentator des politischen Tagesgeschäfts und für sein oft mürrisch wirkendes Auftreten bekannt. Er hat deutlich mehr Erfahrung in politischen Spitzenämtern, ist stellvertretender Bundesvorsitzender und war lange Minister und Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein. Wie haben sie sich auf den Regionalkonferenzen präsentiert? Schwan zeigte sich auf den Konferenzen von ihrer starken Seite als linke Intellektuelle. Sie will der SPD die Haltung zurückgeben, setzte auf Standfestigkeit und Erfahrung. Stegner redete geschliffen, schnell und mit Witz, nahm sich selbst auf die Schippe und sprach von seiner "humorigen Art". Wie sind ihre Aussichten? Schwan und Stegner haben allenfalls Außenseiterchancen. Zwar konnten sie bei manchen Auftritten Sympathien gewinnen, für Erneuerung und Aufbruch in der SPD steht das Duo aber eher nicht.

Olaf Scholz und Klara Geywitz

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(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Wer sind sie? Olaf Scholz, 61, ist Bundesfinanzminister, Vizekanzler und SPD-Vize. Er bildet ein Team mit Klara Geywitz, 43, frühere Generalsekretärin der Brandenburger SPD. Beide, vor allem Scholz, gelten als nüchterne, pragmatische und bisweilen etwas langweilige Politiker. Scholz will in der großen Koalition ordentlich bis zum Ende der Legislaturperiode regieren. Von allen Kandidaten steht dieses Duo am wenigsten für den Aufbruch. Wie haben sie sich auf den Regionalkonferenzen präsentiert? Kein anderes Team hat so viel Gegenwind bekommen wie Scholz und Geywitz. Das lag vor allem am Vizekanzler, der für genau das steht, was viele in der Partei inzwischen ablehnen: die Politik der schwarzen Null, eine aus Sicht vieler nicht ausreichende Klimapolitik und ganz generell: die große Koalition. Geywitz betonte deshalb sicherheitshalber: "Niemand in diesem Saal ist verliebt in die Groko." Wie sind ihre Aussichten? Auch wenn Scholz und Geywitz auf den Regionalkonferenzen beim Publikum keinen leichten Stand hatten, gelten sie als Favoriten auf den SPD-Vorsitz und dürften zumindest in die Stichwahl einziehen. Parteimitglieder, die die Konferenzen weniger verfolgt haben und auf Kontinuität setzen, könnten sich für das bekannteste Gesicht im Rennen entscheiden: Scholz.

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken

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(Foto: AFP)

Wer sind sie? Norbert Walter-Borjans, 67, früherer Finanzminister von Nordrhein-Westfalen und hat durch den Ankauf von Steuer-CDs größere Bekanntheit erlangt. Er ist eine Art Anti-Scholz: Walter-Borjans steht für eine andere Steuerpolitik und stellt sich beim Haushalt gegen den Vizekanzler: "Wir dürfen uns nicht an der schwarzen Null strangulieren." Er und seine Teampartnerin Saskia Esken, 58, Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg, sind gegen die große Koalition. "Der ewige Kompromiss nimmt uns alle Luft zum Atmen", so Esken. Wie haben sie sich auf den Regionalkonferenzen präsentiert? Esken und Walter-Borjans weckten die Neugierde vieler Zuschauer. Manche waren regelrecht verzückt. Im nordrhein-westfälischen Kamen rief dem Ex-Minister eine Frau aus dem Publikum zu: "Wir lieben dich alle noch immer!" Wie sind ihre Aussichten? Auch ihre Chancen auf den Einzug in die Stichwahl sind gut. Das Duo hat die Unterstützung aus dem größten Landesverband NRW und auch der Bundesvorstand der Jusos hat sich für die beiden ausgesprochen. Der Parteinachwuchs zählt etwa 70 000 Mitglieder. Hinzu kommen Simone Lange und Alexander Ahrens, die ihre Bewerbung gleich auf der ersten Regionalkonferenz zugunsten von Esken und Walter-Borjans zurückgezogen haben.

Nina Scheer und Karl Lauterbach

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(Foto: dpa)

Wer sind sie? Karl Lauterbach, 56, ehemaliger SPD-Fraktionsvize im Bundestag, und Nina Scheer, 48, Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein, bezeichnen sich als "ziemlich linkes Team". Sie treten für mehr Klimaschutz ein und sind die deutlichsten Gegner der großen Koalition. Lauterbach hat wegen seiner Kandidatur nicht mehr für das Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag kandidiert. Das sei für ihn eine Glaubwürdigkeitsfrage. Als Fraktionsvize müsse er mit der Union bei Gesetzesvorhaben zusammenarbeiten. Wie haben sie sich auf den Regionalkonferenzen präsentiert? Lauterbach und Scheer haben die große Koalition und deren Vertreter Olaf Scholz scharf attackiert. Als Beleg führen die beiden immer wieder das Klimapaket der Regierung an und fordern auch hier ein Umdenken. Wie sind ihre Aussichten? Vom Publikum haben Scheer und Lauterbach für ihre Regierungskritik immer wieder Applaus bekommen. Sie könnten zudem davon profitieren, dass Hilde Mattheis und Dierk Hirschel ihre Kandidatur zugunsten eines linken Duos zurückgezogen haben. Ihr Abschneiden bei der Befragung wird darauf hindeuten, ob auch die SPD-Mitglieder ein Ende der Groko wollen.

Petra Köpping und Boris Pistorius

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(Foto: dpa)

Wer sind sie? Petra Köpping, 61, und Boris Pistorius, 59, präsentieren sich als basisnahe Kandidaten mit kommunalem Bezug. Die Integrationsministerin von Sachsen fällt durch ihr Engagement für die neuen Bundesländer auf. Der Innenminister von Niedersachsen gehört eher zum konservativem Flügel der Partei und ist einer der profiliertesten Innen- und Sicherheitspolitiker der SPD. Inhaltlich sehen die beiden die große Koalition skeptisch, wollen das Bündnis aber nicht sofort verlassen. Wie haben sie sich auf den Regionalkonferenzen präsentiert? Pistorius erzählt immer wieder, Köpping und er seien "nicht ganz so links" wie die Mitbewerber Hilde Mattheis und Dierk Hirschel. Für eine Imitation von Willy Brandt bekommt er begeisterten Applaus. Auch anderswo, etwa in Potsdam, kommen Pistorius und Köpping gut an, doch das ist nicht immer so: In Bremen gibt es Buhrufe, als Pistorius sich dagegen ausspricht, die Kosten für Polizeieinsätze bei Hochsicherheitsspielen auf die Vereine abzuwälzen. Wie sind ihre Aussichten? Sie haben den Rückhalt des Landesverbands Niedersachsen und einen Unterstützungsaufruf von 40 Kommunalpolitikern hinter sich. Wirklich aus der Bewerbermasse hervorgestochen sind sie bei den Regionalkonferenzen aber nicht. Pistorius hatte bereits beklagt, ihm seien bei den Regionalkonferenzen Innen- und Sicherheitspolitik zu kurz gekommen, also ausgerechnet seine Themen.

Michael Roth und Christina Kampmann

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(Foto: Getty Images)

Wer sind sie? Michael Roth, 49, Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, und Christina Kampmann, frühere Familienministerin in Nordrhein-Westfalen und mit 39 die jüngste Kandidatin, wollen jung und modern wirken. Dabei ist Roth in Dienstjahren gar nicht so jung: Seit 1998 sitzt er im Bundestag. Die beiden wollen die Partei nach links, aber nicht Hals über Kopf aus der großen Koalition führen. Die Schuldenbremse halten sie für überholt. Kampmann und Roth haben als erste ihre Kandidatur verkündet und schnell Pläne zur Umstrukturierung der Partei präsentiert. Inhaltlich treten sie klar europafreundlich und gegen rechts auf. Wie haben sie sich auf den Regionalkonferenzen präsentiert? Ihre Kandidatur haben sie wie einen richtigen Wahlkampf geplant und gingen die Sache mit viel Elan an. Die gemeinsamen Auftritte wirkten sauber choreografiert, aber teilweise übertourt oder aufgesetzt. Beim Publikum kamen sie meistens gut an. Wie sind ihre Aussichten? Eigentlich galten ihre Chancen als nicht besonders groß. Durch die frischen Auftritte bei den Regionalkonferenzen haben sie ihre Aussichten auf die Stichwahl aber deutlich verbessert. Dennoch könnten sie möglicherweise noch zu unbekannt bei den SPD-Mitgliedern sein, die nicht bei den Konferenzen waren.

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