Spanien:Welle des guten Willens

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160 000 für 16 000: Zehntausende Demonstranten sind in Barcelona am Samstag auf die Straße gegangen, um für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen zu demonstrieren. Bisher ist die Zentralregierung in Madrid diesbezüglich ihren EU-Verpflichtungen nicht nachgekommen. (Foto: Manu Fernandez/dpa)

Bei einer Großdemonstration in Barcelona fordern Zehntausende auf den Straßen der katalonischen Metropole die Zentralregierung in Madrid auf, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

Von Thomas Urban, Madrid

Zehntausende Demonstranten haben am Samstag in der katalanischen Metropole Barcelona die Aufnahme von mehr Flüchtlingen als bisher durch die spanischen Behörden gefordert. Die konservative Zentralregierung in Madrid hatte sich im Herbst 2015 zur Aufnahme eines Zehntels der rund 160 000 Flüchtlinge verpflichtet, auf deren Verteilung sich die EU-Staaten geeinigt hatten. Angekommen sind Presseberichten zufolge bislang kaum mehr als 100, die meisten aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten.

Die Organisatoren der Demonstration, mehrere links orientierte Gruppierungen, wollten auch beweisen, dass die Region solidarisch mit den Nachbarn in der EU ist. Die meisten Mitglieder dieser Gruppierungen unterstützen die von der politischen Führung in Barcelona angestrebte Sezession von Spanien. Die Polizei gab die Teilnehmerzahl mit rund 160 000 an, die Organisatoren vom Verein "Casa nostra casa vostra" (Unser Haus, euer Haus) sprachen von einer halben Million Demonstranten.

Auf Spruchbändern wurde auch die Öffnung der Grenzen um Ceuta und Melilla, die spanischen Enklaven in Nordafrika, gefordert. Hier verweist aber Madrid stets auf seine Verpflichtungen gegenüber Brüssel, die EU-Außengrenze zu sichern. In der vergangenen Woche hatten etwa 400 Afrikaner den Grenzzaun von Ceuta überwunden. In spanischen Medien herrscht die Überzeugung vor, es handle sich bei den meisten "Subsaharianos", den Afrikanern aus den Ländern südlich der Sahara, um Wirtschaftsmigranten, die keine Chance haben, als politische Flüchtlinge anerkannt zu werden. Auch weist Madrid immer wieder darauf hin, dass auf marokkanischer Seite große Schilder vor der Gefährlichkeit der mit Drahtklingen bestückten Zäune warnen.

Viele Demonstranten in Barcelona trugen blaue Kleidung, die Masse sollte eine "Welle des guten Willens" symbolisieren. Auf Spruchbändern stand die Parole "Wir wollen sie aufnehmen!" Eine diesbezügliche Petition hatten bis zum Wochenende 72 000 Menschen unterzeichnet.

Katalonien hat unter Spaniens Regionen mit Abstand am meisten Einwanderer aufgenommen; in mehreren Großstädten gibt es überwiegend von Afrikanern bewohnte Viertel. 2016 ließen die Behörden Hunderte Afrikaner, die die Zäune von Ceuta und Melilla überwanden, nach der Registrierung in Richtung Norden weiterreisen. Auch Tausende Kriegsflüchtlinge aus dem Nahen Osten konnten weiter nach Norden reisen, nur ein Bruchteil blieb im Land.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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