Spanien:Versöhnungsbesuch

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Spaniens Regierung tagt in Barcelona. Das gefällt nicht allen in der Provinz, die noch vor einem Jahr über eine Sezession abgestimmt hat - doch Premier Sánchez versucht mit einer versöhnlichen Geste zu beruhigen.

Von Thomas Urban, Madrid

Radikale Verfechter der Unabhängigkeit der spanischen Region Katalonien haben am Freitag Teile der Innenstadt von Barcelona sowie mehrere Fernstraßen vorübergehend blockiert. Die Regionalpolizei nahm ein Dutzend Demonstranten fest. Die Proteste richteten sich gegen eine Kabinettssitzung der spanischen Zentralregierung unter dem sozialistischen Premierminister Pedro Sánchez in der Alten Börse in Barcelona. Sánchez hatte am Vorabend den katalanischen Regionalpremier Quim Torra getroffen; beide erklärten anschließend ihre Bereitschaft, den seit vier Jahren andauernden Konflikt "mit politischen Mitteln" zu lösen.

Sie wollen den Konflikt politisch lösen. Der Rechten aber gehen Sanchez' Gesten zu weit

Sánchez gab nach der Kabinettssitzung bekannt, dass seine Regierung die Annullierung des Urteils gegen Lluís Companys beantragen werde. Er war während des Spanischen Bürgerkriegs Regionalpräsident und war 1940 aus dem besetzten Frankreich von der Gestapo an das Franco-Regime ausgeliefert und im Schnellverfahren zum Tode verurteilt worden. Der Flughafen der Mittelmeermetropole werde nach Josep Tarradellas benannt, einem Kampfgefährten Companys'. Tarradellas hatte nach dem Tod Francos 1975 mit der Zentralregierung das Autonomiestatut Kataloniens ausgehandelt.

Nach Meinung der rechten Opposition in Madrid ist Sánchez mit diesen symbolischen Gesten viel zu weit gegangen. Der Vorsitzende der konservativen Volkspartei (PP), Pablo Casado, kritisierte, die Verhandlungen, die Sánchez mit Verfassungsfeinden führe, bedeuteten eine "Erniedrigung Spaniens". Er wiederholte seine Forderung, Madrid solle sofort die katalanische Regionalregierung absetzen. Ein Sprecher der von Sánchez geführten Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) sagte dazu, dass es die PP-Regierung gewesen sei, die durch ihre Verweigerung des Dialogs mit Barcelona für die Verschärfung des Konflikts mitverantwortlich sei.

Pünktlich zu den Feiertagen haben vier der inhaftierten katalanischen Aktivisten, die auf ihren Prozess wegen Rebellion warten, ihren Hungerstreik eingestellt. Ihre Anwälte hatten erklärt, mit der Aktion wollten sie dagegen protestieren, dass die spanische Justiz ihre Beschwerden nicht an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weitergeleitet habe. Für die insgesamt neun inhaftierten Aktivisten hat die Staatsanwaltschaft Haftstrafen zwischen elf und 25 Jahren beantragt.

Bei den Demonstrationen in der Innenstadt von Barcelona sind Polizisten nach Berichten des spanischen Fernsehens mit Pflastersteinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen worden. Ein Teil der gewalttätigen Demonstranten war vermummt, ein Teil trug gelbe Westen, nach dem Vorbild der Protestbewegung in Frankreich.

Mehr als 60 Menschen wurden nach Behördenangaben verletzt.

Die radikalen Verfechter der katalanischen Unabhängigkeit werden von links- wie rechtsextremen Kräften in anderen EU-Staaten unterstützt. Auch ist die russische "Trollfabrik" in St. Peterburg, die in den US-Wahlkampf eingegriffen haben soll, nach Berichten der linksliberalen Madrider Zeitung El País im Katalonien-Konflikt überaus aktiv. Die Regionalregierung unter Quim Torra ist im Parlament zu Barcelona auf die vier Abgeordneten der neomarxistischen Gruppierung CUP angewiesen.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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