Spanien:Traum und Wirklichkeit

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Nach der Katalonien-Wahl gibt es für beide Seiten nur eine Botschaft: Redet miteinander und verlasst die Barrikaden. Weder gibt es ein Recht auf und eine Mehrheit für die Sezession. Noch bringt die Sturheit der Zentralregierung Spanien den Frieden.

Von Thomas Urban

Den Verfechtern der katalanischen Unabhängigkeit haben weniger als 48 Prozent aller Wählerstimmen für ihre knappe Mehrheit im Parlament von Barcelona gereicht. Eigentlich dürfte es angesichts dieses mageren Erfolgs keinen Zweifel daran geben, dass die Separatisten über keinerlei Legitimität verfügen, weiter die Sezession zu betreiben. Bezieht man noch die Nichtwähler in die Bilanz ein, so gibt es nach wie vor keine eindeutige Mehrheit für eine Abspaltung. Das aber ist nicht die Logik der Separatisten, die in dem Wählervotum einen klaren Auftrag erkennen.

Viele Katalanen sind der Meinung, dass sie ihre Region besser ohne die Zentralregierung in Madrid auf die Zukunft vorbereiten. Das ist sogar nachvollziehbar. Ebenso ist verständlich, dass sie sich kaum mit einer Monarchie identifizieren, deren Oberhaupt bislang nicht gezeigt hat, dass er König aller Staatsbürger Spaniens sein will. Stattdessen hat Felipe VI. die vielleicht einmalige Chance verspielt, sich als Brückenbauer zu profilieren. Jenseits dieser Argumente fehlen den Separatisten aber immer noch das Recht und die Mehrheit für die Umsetzung ihrer Pläne, ganz abgesehen von der Unterstützung aus dem Ausland.

Nach der Wahl stellt sich drängender denn je die Frage: Wie können die Katalanen, die den spanischen Staat ablehnen, wieder mit ihrer Nation versöhnt werden? Premierminister Mariano Rajoy hat darauf keine Antwort, wie das Wahlergebnis zeigt: Die von ihm geführte konservative Volkspartei (PP) hat eine empfindliche Niederlage erlitten. Gescheitert ist sein Konzept, die Unabhängigkeitsbewegung mit Hilfe der Justiz durch Verhaftungen und Geldstrafen zu zermürben. Die Amtsträger dieser Justiz, eng mit der PP verknüpft, haben viele Katalanen, die keineswegs für die Unabhängigkeit ihrer Heimatregion sind, gegen Madrid aufgebracht. Die Katalonien-Politik Rajoys wird als abschreckendes Beispiel für Staatskunst in die Lehrbücher eingehen.

Die Botschaft der Wähler: Redet miteinander, und steigt von den Barrikaden herab

Angesichts des Wahlergebnisses wird es wohl unausweichlich sein, die Verfahren gegen die inhaftierten oder mit ruinösen Geldstrafen belegten katalanischen Aktivisten einzustellen. Wenigstens dieses Signal sollte man an die Separatisten senden. Allerdings liegt es nicht nur im Interesse Madrids, sondern auch der anderen EU-Staaten, dass die Unabhängigkeitsidee aufgegeben oder zumindest zurückgestellt wird. Gewinnen können die Katalanen wenig, aber viel verlieren: Ihre Wirtschaft verkauft zwei Drittel ihrer Produkte innerhalb Spaniens. Wenn dieser Markt einbräche, geriete der katalanische Wohlstand in Gefahr. Daran können auch Fantastereien von einer Freihandelszone mit niedrigen Steuersätzen für internationale Konzerne nichts ändern.

Madrid und Barcelona sind aufeinander angewiesen. Sie müssen endlich in einen Dialog eintreten. Die rote Linie dabei ist klar: Die Verfassung lässt keine Sezession zu, für die es allemal keine ausreichende Unterstützung in der Bevölkerung gibt. Gleichzeitig sollte die Regierung Rajoy erkennen, dass sie ihre Bürger nicht wie Kriminelle behandeln sollte, Bürger, die subjektiv für eine bessere Gesellschaft kämpfen. Und die EU sollte endlich in die Kulisse treten und den Dialog mit den Aktivisten suchen, um sie von einer Zukunft Kataloniens als Teil Spaniens zu überzeugen.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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