Spanien:Sánchez in der Bredouille

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Der Premier sucht den Dialog mit den Katalanen. Er ist abhängig von ihrer Gunst.

Von Thomas Urban

Wie auch immer der Prozess vor dem Obersten Gericht in Madrid gegen die führenden Köpfe der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung ausgehen wird, eines dürfte sicher sein: Er wird das Problem nicht lösen und somit auch nicht zur innenpolitischen Stabilisierung Spaniens beitragen. Der historische Interessengegensatz zwischen Madrid und Barcelona kann nur von der Politik gelöst werden - doch die Politiker in beiden Metropolen haben bislang schlicht versagt.

Die in Madrid bis zum vergangenen Frühjahr regierenden Konservativen haben nicht begriffen, dass sie den Katalanen, die sich vom Königreich Spanien abspalten wollen, Angebote machen müssen, in der Geschichtspolitik ebenso wie bei der Zuteilung von Haushaltsmitteln. Doch der damalige Premier Mariano Rajoy hat in keiner Weise um die Katalanen geworben, sondern den Polizei- und Justizapparat gegen die Verfechter der Sezession mobilisiert. Diese verfügen zwar über eine knappe Mehrheit der Mandate im Regionalparlament zu Barcelona, doch brachten sie nur 47 Prozent der Wähler hinter sich. Das reicht nicht, um ihren Kurs politisch zu legitimieren. Dass der inzwischen abgesetzte katalanische Premier Carles Puigdemont und sein Nachfolger Quim Torra ihren von der Mehrheit ihrer Landsleute nicht unterstützten Kurs weiter verteidigen und jeglichen Kompromiss ablehnen, ist ein geradezu schulbuchmäßiges Beispiel politischen Selbstbetrugs.

In Madrid tut der sozialistische Premier Pedro Sánchez eigentlich das Richtige: Er bietet einen Dialog an. Allerdings hat er nicht begriffen, dass er zur Lösung des Katalonien-Konflikts auch die Unterstützung der rechten Oppositionsgruppen braucht; er hat nicht einmal den Versuch unternommen, diese in die Konsultationen einzubinden. Damit ignoriert er die politische Grundregel, dass gerade emotionsgeladene Konflikte um die Idee der Nation nur gelöst werden können, wenn wenigstens ein Teil der rechten Gruppierungen dabei mitgenommen wird. Immerhin verstehen sich diese als Sachwalter der Interessen der Nation. Zudem hat Sánchez ein besonderes Problem: Sein Minderheitskabinett ist im nationalen Parlament von den Stimmen der katalanischen Abgeordneten abhängig. Diese können schon in dieser Woche sein Kabinett zu Fall bringen, wenn sie seinem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Die Folge wären Neuwahlen, und jüngsten Umfragen zufolge könnte es dabei zu einem Rechtsruck kommen.

Die Katalonienkrise hat bei vielen Spaniern wieder Nationalgefühle aufleben lassen, die wegen der Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre eingeschlafen waren. Puigdemont und Torra, die sich als genauso unfähige, unflexible, Politiker erwiesen haben wie die Vertreter der großen Parteien in Madrid, sind für die überwältigende Mehrheit der Spanier heute Oberschurken. So werden sie auch für ihre Region nichts erreichen können.

Es zeichnet sich nur ein Weg ab, wie die Spannungen abgebaut werden könnten: Wenn König Felipe nach dem Ende des Prozesses die zu Haftstrafen verurteilten Separatisten begnadigt, unter der Voraussetzung, dass diese ihren unausgegorenen Unabhängigkeitstraum aufgeben. Allerdings hat der König bislang durch unkluge Reden nur zur Verschärfung des Konflikts beigetragen, anstatt sich Autorität als Vermittler zu erwerben.

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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