Spanien:Regierungskrise in Katalonien

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Ohne Mandat im Regionalparlament kann Quim Torra Katalonien nicht mehr führen. (Foto: Emilio Morenatti/AP)

Regionalpräsident Quim Torra verliert sein Abgeordnetenmandat und kündigt deshalb Neuwahlen an - und bringt so Spaniens Premier Pedro Sánchez in Not.

Von Thomas Urban, Madrid

Für den katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra ist es eine Flucht nach vorn: Am Mittwoch kündigte er vorgezogene Wahlen für das Regionalparlament in Barcelona an. Einen Termin nannte Torra nicht, der Urnengang solle aber bald nach der Verabschiedung des Haushalts für das kommende Jahr stattfinden. Zwei Tage zuvor hatte das Parlamentspräsidium beschlossen, dass Torra sein Abgeordnetenmandat verliert. Ein katalanischer Regionalpräsident muss Abgeordneter sein, Torra müsste somit sofort von seinem Posten zurücktreten.

Der Konflikt veranschaulichte ein weiteres Mal, dass die beiden größten separatistischen Parteien Kataloniens, die seit zwei Jahren eine Koalitionsregierung führen, untereinander zutiefst zerstritten sind: Wie sein nach Belgien geflohener Amtsvorgänger Carles Puigdemont gehört Torra dem rechtsliberalen Bündnis "Zusammen für Katalonien" (JxCat) an, während Parlamentspräsident Roger Torrent, der nun seine Absetzung betrieben hat, Linksrepublikaner (ERC) ist.

Spaniens Premier Pedro Sánchez, der die Madrider Regierungskoalition aus Sozialisten (PSOE) und dem linksalternativen Bündnis Unidas Podemos (UP) führt, trifft die Ankündigung aus Barcelona in einem ungünstigen Moment. Sánchez hatte erst in der vergangenen Woche angekündigt, er wolle mit Torra über einen Kompromiss in der Katalonienkrise verhandeln, und hat damit heftige Proteste der rechtsgerichteten Oppositionsparteien hervorgerufen. Diese verlangen eine sofortige Absetzung der katalanischen Regionalregierung, weil Torra nach wie vor die staatliche Souveränität als sein politisches Ziel bezeichnet. Die Maßnahme des eigenen Parlamentspräsidiums gegen ihn ist Folge einer Entscheidung der staatlichen Wahlkommission. Diese hatte Torra vor den nationalen Wahlen im November aufgefordert, von öffentlichen Gebäuden gelbe Schleifen entfernen zu lassen. Diese sollten Solidarität mit den zu hohen Gefängnisstrafen verurteilten Separatistenführern symbolisieren, die sich selbst als politische Gefangene bezeichnen.

Vorgezogene Regionalwahlen in Katalonien könnten Sánchez auch deshalb in große Schwierigkeiten bringen, weil nach den Umfragen die drei separatistischen Parteien zusammen erstmals die Mehrheit der Wähler hinter sich bringen könnten. Stärkste Partei laut den Umfragen würden deutlich die Linksrepublikaner, von deren Stimmen Sánchez' Minderheitskabinett in Madrid abhängig ist. Nach ihrem zu erwartenden Wahlsieg in Barcelona dürften die Linksrepublikaner, die europaweit mit den Grünen verbündet sind, noch mehr Forderungen an ihn stellen als bisher.

Überraschend hatte die spanische Justiz sechs der verurteilten Abgeordneten, darunter ERC-Chef Oriol Junqueras, die Teilnahme an der Sitzung des katalanischen Regionalparlaments am Dienstag erlaubt. Sie wurden von der Hälfte der Abgeordneten, die für die Sezession von Spanien eintreten, mit Hurrarufen begrüßt. Junqueras, der wegen der Organisation des illegalen Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017 zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, erklärte: "Eine demokratische Volksabstimmung kann niemals ein Verbrechen sein." Im Mai 2019 war Junqueras als Untersuchungshäftling in das Europaparlament gewählt worden, doch die spanische Justiz hält ihn weiterhin inhaftiert, obwohl der Europäische Gerichtshof in Luxemburg geurteilt hat, dass Junqueras vom Tag der Wahl an parlamentarische Immunität genieße. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte am Mittwoch, dass auch die internationalen Haftbefehle für Puigdemont und den katalanischen Ex-Minister Toni Comín weiterhin gälten. Puigdemont und Comín haben vor zwei Wochen erstmals ihre Sitze im Europaparlament eingenommen, Madrid hat die Aufhebung ihrer Immunität beantragt.

Die Beziehungen zwischen Madrid und Barcelona belastet zusätzlich der vor einer Woche begonnene Prozess gegen den früheren katalanischen Polizeichef Josep Lluís Trapero und weitere Spitzenbeamte. Trapero, der im August 2017 als Leiter der Ermittlungen nach dem Terroranschlag von Barcelona bekannt geworden war, wird vorgeworfen, am Tag des illegalen Referendums Einsatzbefehle aus Madrid sabotiert zu haben.

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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