Spanien:Noch keine Mehrheit in Madrid

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Ana Pastor (Partido Popular) ist neue Präsidentin des Unterhauses. (Foto: Javier Soriano/AFP)

Ana Pastor wird Parlamentspräsidentin. Doch für ihre Partei ist es noch ein weiter Weg zur Regierung.

Von Thomas Urban, Madrid

Die konservative Volkspartei (PP) hat am Dienstag bei der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments in Madrid einen wichtigen Etappensieg auf dem Weg zur Bildung einer neuen Regierung errungen: In den Cortes, dem Unterhaus des Parlaments, wurde die bisherige Verkehrsministerin Ana Pastor zur neuen Präsidentin gewählt, eine Vertraute des amtierenden Premierministers Mariano Rajoy. Sie setzte sich mit 169 gegen 155 Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber durch, den Sozialisten Patxi López aus dem Baskenland. Zum Präsidenten des Senats wurde erwartungsgemäß Pío García-Escudero (ebenfalls PP) gewählt. Das Oberhaus kann Gesetzesprojekte blockieren, die Konservativen stellen hier 151 der 266 Senatoren.

Damit befindet sich die PP nach den vorgezogenen Wahlen vom 26. Juni in einer deutlich besseren Ausgangslage als nach den letzten termingerechten Wahlen am 20. Dezember 2015. Damals hatten sich die vier großen Fraktionen gegenseitig blockiert, sodass keine regierungsfähige Koalition zustande kam und nach einem halben Jahr neu gewählt werden musste.

Überraschend hatte die PP Rajoys bei den Neuwahlen vor dreieinhalb Wochen einen weitaus größeren Stimmenzuwachs verbuchen können als vorausgesagt. Die PP erreichte ein Plus von vier Punkten und kam auf genau 33 Prozent der Stimmen. Die Sozialisten (PSOE) legten um 0,7 Punkte auf 22,7 Prozent zu. Hingegen musste das Bündnis Unidos Podemos (Gemeinsam schaffen wir das), zu dem sich Linksalternative, Umweltschützer und Postkommunisten zusammengeschlossen hatten, ein Minus von 3,2 Punkten hinnehmen; es blieb mit 21,1 Prozent deutlich hinter den Prognosen zurück, die es als erste Kraft im linken Lager gesehen hatten. Zu den Verlierern zählten auch die liberalen Ciudadanos (Bürger), deren Stimmenanteil um 0,9 Prozent auf 13,1 Prozent sank.

Die Ciudadanos, deren Programm dem der deutschen FDP ähnelt, haben nun mit ihren Stimmen Ana Pastor zum Posten der Parlamentspräsidentin verholfen. Die 58-jährige ausgebildete Ärztin hat wie Rajoy ihre politische Karriere in der Kleinstadt Pontevedra in der Region Galicien im Nordwesten des Landes begonnen. Sie war ihm eine verlässliche Stütze bei den parteiinternen Machtkämpfen der vergangenen Jahre. In ihnen richtete Rajoy die Partei zur Mitte aus, indem er die Nationalkatholiken und Altfranquisten isoliert und sich von den Anhängern des früheren Premiers José Aznar getrennt hat. Aznar war einst Rajoys politischer Ziehvater, doch in der jüngeren PP-Generation wird er für die Immobilienblase und die das Land überziehende Korruption verantwortlich gemacht, die Spanien eine große Wirtschaftskrise beschert haben. Rajoy hat angekündigt, dass einem künftigen PP-Kabinett hauptsächlich Vertreter der Generation zwischen 40 und 50 Jahren angehören würden.

Allerdings ist überaus fraglich, ob der 61-Jährige weiter an der Spitze der Regierung stehen kann. Die PP verfügt nur über 137 der 350 Sitze in den Cortes. Alle anderen Fraktionen haben erklärt, ihn nicht als Premier bestätigen zu wollen. Ihm wird vorgeworfen, als langjähriger Parteichef von den Korruptionsaffären führender Amtsträger der PP gewusst und nichts dagegen unternommen zu haben. Der Protest der PSOE gegen die Korruption in der PP, den Oppositionsführer Pedro Sánchez immer wieder lautstark vorbringt, wird indes von einem Teil der Medien als pure Heuchelei kritisiert: Gegen führende PSOE-Politiker in Andalusien, unter ihnen zwei ehemalige Regionspräsidenten, laufen Strafverfahren. Es geht um die Veruntreuung von dreistelligen Millionensummen, vor allem Zuschüssen der EU für Umschulungsprogramme für Arbeitslose.

Das Hofamt in Madrid hat angekündigt, dass König Felipe VI. in den kommenden Tagen die Fraktionsführer zu Gesprächen über die Regierungsbildung empfangen werde. Rajoy hatte in den vergangenen Tagen klargestellt, dass er den Auftrag dazu nur annehmen werde, wenn für ihn zumindest eine Mehrheit im zweiten Wahlgang sicher ist. Während im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der 350 Abgeordnetenstimmen notwendig ist, reicht es im zweiten, mehr Ja- als Nein-Stimmen zu bekommen. Die Ciudadanos haben angekündigt, sich beim zweiten Wahlgang zu enthalten, PSOE und Podemos kommen zusammen auf 156 Stimmen, so dass Rajoy durchfallen könnte. Denn dass dieser Stimmen aus den Reihen der Basken oder Katalanen bekommen könnte (zusammen 24 Abgeordnete), gilt wegen seines Konfrontationskurses gegenüber den Regionen als unwahrscheinlich.

© SZ vom 20.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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