Spanien:Nicht mehr willkommen

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Premier Sánchez macht eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik. Die Zustimmung vieler Spanier ist ihm gewiss.

Von Thomas Urban, Madrid

Ceuta, die alte Festungsstadt auf der afrikanischen Seite der Straße von Gibraltar, ist zwar geografisch betrachtet nur ein Außenposten Spaniens. Doch die meisten Spanier sehen in ihr wie in der weiter östlich gelegenen Exklave Melilla auch einen Vorposten europäischer Lebensart in einer arabischen Umgebung: Demokratie, Zivilgesellschaft, Rechtssicherheit. Nun ist Ceuta in den Fokus der internationalen Politik geraten, weil über die Stadt seit Kurzem die Hauptroute für Migranten nach Europa führt. Um diesen Zuzug zu begrenzen, ist die Grenzanlage immer mehr ausgebaut worden, mitfinanziert von Brüssel, denn es handelt sich ja um Außengrenzen der EU.

Die jüngsten Ereignisse am Grenzzaun von Ceuta haben nun wohl zum Ende der spanischen "Willkommenskultur" für Migranten geführt, die der neue sozialdemokratische Premier Pedro Sánchez erst vor zwei Monaten verkündet hatte: 116 junge Afrikaner wurden am Tag nachdem sie die Grenzanlagen überwunden hatten, nach Marokko abgeschoben. Spanien gesellt sich also zu den EU-Staaten, die massenhafte Migration entscheidend verringern wollen: Ungarn hat es vorgemacht, Italien hat nachgezogen.

Furcht vor unkontrollierbarer Gewalt

Die links orientierten Gruppierungen, die in den von ihnen regierten Rathäusern Spruchbänder mit "Flüchtlinge willkommen" aufgehängt haben, schweigen dazu weitgehend. Gegen die Bilder vom Grenzzaun können sie auch nicht viel sagen. Wiederholt lieferten sich junge Afrikaner mit selbstgebastelten Waffen wahre Schlachten mit Grenzschützern.

In der spanischen Debatte über Flucht und Migration spielte von Anfang an die Furcht vor unkontrollierbarer Gewalt eine Rolle, eine Folge der Anschläge auf Madrider Vorortzüge 2004, bei denen fast 200 Menschen den Tod fanden. Diese Angst brach wieder hervor, als im vorigen August bei einer islamistischen Terroraktion in Barcelona 14 Menschen getötet wurden. Das Beunruhigende dabei: Die Attentäter galten als gut integriert, sie waren in Spanien geboren, die meisten gute Schüler gewesen. Doch sie fühlten sich nicht als Teil der spanischen Gesellschaft. Ein Freund der Attentäter sagte dazu einen nur auf den ersten Blick lapidaren Satz: "Die spanischen Mädchen wollten nie mit uns ausgehen."

In Spanien wird nun diskutiert, ob die unterschiedliche kulturelle Prägung, zu der Religion ebenso wie das Verhalten von Männern gegenüber Frauen gehört, nicht doch eine kaum zu überwindende Grenze ist. Konservative Spanier weisen empört zurück, wenn ihre Vorbehalte gegenüber arabischen Migranten Rassismus genannt werden. Schließlich nehmen katholische Gruppierungen bereitwillig Christen aus Syrien und dem Irak auf, die in ihrer Heimat verfolgt werden.

Was die jungen Afrikaner aus Ländern südlich der Sahara angeht, so haben die Spanier täglich vor Augen, welches Schicksal die Ankömmlinge erwartet: als Erntehelfer oder Straßenhändler ausgebeutet zu werden oder, noch schlimmer, vor Supermärkten betteln zu müssen. In dem Land mit der zweithöchsten Arbeitslosigkeit in der EU bietet der legale Arbeitsmarkt den Migranten keine Chance. Wenn Sánchez also jetzt seine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik vollendet und die Schließung der Maghreb-Route durchsetzt, kann er mit breitester Zustimmung seiner Landsleute rechnen.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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