Spanien:Finaler Umzug

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Der Ex-Diktator Franco soll umgebettet werden.

Von Thomas Urban

Der letzte Wille des Verstorbenen wurde schmählich missachtet: Vor seinem Tod hatte der Diktator Francisco Franco verfügt, dass er bescheiden im Familiengrab beigesetzt werden solle. Doch seinen Anhängern war dies zu wenig, als er 1975 nach 36 Jahren brutaler Alleinherrschaft starb. Als würdigen Platz sahen sie die Basilika im Tal der Gefallenen in der Sierra de Guadarrama an, der Bergkette nördlich von Madrid. Die Basilika besteht aus einer riesigen Höhle, die 20 000 Zwangsarbeiter in den Berg getrieben haben. Gekrönt ist der Felsen von einem 155 Meter hohen Betonkreuz, dem größten der gesamten Christenheit.

Nun dürfte der Moment gekommen sein, dass Francos letzter Wille doch noch erfüllt wird - ausgerechnet von den Nachkommen seiner Opfer: Der neue sozialistische Premier Pedro Sánchez kündigte an, dass ein Parlamentsbeschluss über die Umbettung Francos von 2017 bald ausgeführt werde. Damals regierte noch der konservative Mariano Rajoy, die von ihm geführte Volkspartei (PP) war aus einer franquistischen Gruppe hervorgegangen. Rajoy hatte zwar die PP modernisiert und die Altfranquisten an den Rand gedrängt, doch das Thema wollte er nicht anrühren. Er berief sich auf das "Gesetz der Erinnerung" von 1977, das den gesellschaftlichen Frieden sichern sollte, aber auch den Tätern des Franco-Regimes Straffreiheit garantierte, während die Angehörigen der Opfer vergeblich auf deren Rehabilitierung hofften.

Erstmals hatte vor einem Jahrzehnt der damalige sozialistische Premier José Luis Zapatero eine systematische Aufarbeitung der Franco-Zeit durch den Staat in Angriff genommen. Doch seine Geschichtspolitik stieß an ihre Grenzen, als die Frage der Entschädigung für Opfer auf die Tagesordnung kam. Denn dafür bekam er keine Mehrheit. So führten zwar lokale Initiativen zur Exhumierung von Tausenden Toten aus Massengräbern, aber Franco blieb in der Basilika.

In den Seitenkapellen und an den Wänden des 260 Meter langen Gotteshauses fanden die Gebeine von fast 35 000 Toten aus dem Bürgerkrieg ihren Platz. Die Franco-Anhänger verstanden es als Ort des Triumphes. Damit soll es nun vorbei sein, Konzepte zur Errichtung einer Begegnungsstätte sind längst ausgearbeitet. Widerstand dagegen ist kaum zu erwarten: Die PP hat sich 2017 bei der Abstimmung über die Exhumierung Francos enthalten, die katholischen Bischöfe Spaniens, die einst Franco als Verteidiger gegen den Bolschewismus stützten, haben keine Einwände. Die Kirchenführung hat wohl auch leichten Druck auf die Benediktiner ausgeübt, die Hausherren in der Basilika sind.

Doch nicht nur das Erbe Francos hat die spanische Gesellschaft tief gespalten, sondern auch die Verbrechen der anderen Seite während des Bürgerkriegs. Die spanischen Kommunisten hatten nämlich nicht nur gegen Franco Widerstand geleistet, sondern auch Sozialisten, Anarchisten und Liberale blutig bekämpft. Das noch heute bestehende tiefe Misstrauen unter den links orientierten Parteien dürften aus jener Zeit herrühren. Auch Sánchez ist bislang daran gescheitert, eine Linkskoalition zu bilden. Immerhin ziehen aber alle in der Causa Franco an einem Strang.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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