Spanien:"El Guapo" will den Wandel

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Pedro Sánchez mit Gattin Begoña Gomez bei seiner Kür zum Spitzenkandidaten der Sozialisten. (Foto: Juan Medina/Reuters)

Pedro Sánchez würde die Linken als Koalitionspartner bevorzugen.

Von Thomas Urban, Madrid

Pedro Sánchez hat sich festgelegt. Der Spitzenkandidat der spanischen Sozialisten für die Wahl im Herbst hat eine Koalition mit der regierenden Volkspartei (PP) ausgeschlossen. Das Land brauche einen "tief greifenden Wandel", sagte der Herausforderer von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Als Koalitionspartner kommt mithin für die Sozialisten nur die linksalternative Partei Podemos infrage, ein Zusammenschluss mehrerer Gruppierungen, die aus der Protestbewegung von 2011 gegen die Sparpolitik hervorgegangen sind und die in Madrid und Barcelona bereits die Bürgermeisterinnen stellen.

Dabei hatte es an Warnungen an den neuen Chef nicht gemangelt. Altsozialist Felipe González, der als Ministerpräsident von 1982 bis 1996 das Land in der Nato und der Europäischen Union verankert hat, warnte Sánchez, die Partei weiter nach links zu rücken. Auch die linksliberale Tageszeitung El País, traditionell eher der PSOE zugeneigt, wies darauf hin, dass auch in Spanien nationale Wahlen in der politischen Mitte entschieden würden. El País hat in den vergangenen Monaten wenig gute Worte für die linksalternative Partei Podemos um den Politologen Pablo Iglesias gefunden. Dessen Wirtschaftsprogramm sei unausgegoren, wenn Podemos Einfluss auf die Regierungspolitik bekomme, drohe ein Rückfall in die Rezession.

Dabei ist der neue Sozialistenchef Pedro Sánchez keineswegs ein Vertreter des linken Flügels der PSOE. Auch steht er nicht kritisch zu Brüssel, im Gegenteil: Er nennt die EU eine der großartigsten Errungenschaften der Gegenwart. Nach seinem Diplom in Wirtschaftswissenschaften, für das er auch ein Stipendium für ein Studienjahr in Brüssel bekommen hatte, wurde Sánchez Assistent eines spanischen Europa-Abgeordneten. Von dort wechselte er in den Stab des UN-Flüchtlingskommissars, er gehörte zu den Arbeitsgruppen, die an Konzepten für Bosnien und Kosovo arbeiteten und die Krisenländer oft bereisten. Er spricht exzellent Englisch und ein passables Französisch. Nach seiner Rückkehr aus Brüssel engagierte er sich in der PSOE, erst wurde er in den Madrider Stadtrat gewählt, dann kam er als Nachrücker ins Parlament.

Gleichzeitig setzte er seine akademische Laufbahn fort, er habilitierte sich mit einer Arbeit über die Strukturpolitik der EU und wurde Professor an einer privaten Wirtschaftsuniversität in Madrid. Noch vor anderthalb Jahren war Sánchez der überwältigenden Mehrheit seiner Landsleute unbekannt, er war Hinterbänkler im Parlament. Doch im vergangenen Frühjahr trat nach einer empfindlichen Schlappe bei der Europawahl der damalige PSOE-Vorsitzende Alfredo Rubalcaba zurück. Die Sozialisten hatten ein Viertel ihrer Wähler an Podemos verloren. Als einfacher Abgeordneter ohne jegliche Regierungserfahrung trat Sánchez zum Mitgliederentscheid über den Vorsitz der PSOE an und setzte sich überraschend gegen die Kandidaten der Parteigranden sowie des linken Flügels durch.

Sánchez hatte als einziger wirklich um die Parteibasis geworben

Seine parteiinternen Gegnern führen dies auf das telegene Äußere des charmanten und durchtrainierten 1,90-Meter-Mannes zurück und nennen ihn spöttisch "Pedro den Schönen" (El Guapo). Doch in Wirklichkeit hatte Sánchez als einziger um die Parteibasis geworben, mit seinem alten Peugeot war er kreuz und quer durch Spanien gefahren und hatte alle Regionalverbände der Sozialisten abgeklappert. Der PSOE durchaus wohlgesonnene Kommentatoren werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass bei nationalen Wahlen auch in Spanien für die Wähler eines der wichtigsten Kriterien die Wirtschaftskompetenz ist.

Umfragen zufolge liegt hier die konservative PP nach wie vor vor der PSOE. Diese konnte keineswegs von der stark gesunkenen Popularität Mariano Rajoys profitieren, sondern hat ebenso wie die PP gegenüber den Wahlen 2011 stark an Zuspruch verloren. Schwer lastet noch der Schatten des Ex-Ministerpräsidenten José Luis Zapatero auf der PSOE, der beharrlich behauptet hatte, das Platzen einer Immobilienblase habe keinen Einfluss auf die Konjunktur. Zapatero wurde 2011 abgewählt, sein Nachfolger Rajoy führte mit einem drastischen Sparprogramm das Land aus der Rezession, für Ende 2015 erwartet die Regierung ein Wachstum von drei Prozent.

Einige Umfragen belegen, dass die Schlappe der PP bei den letzten Kommunalwahlen weniger auf den Sparkurs, als vielmehr auf die gigantischen Korruptionsaffären im konservativen Lager zurückzuführen ist. Überdies wird dem neuen Chef Pedro Sánchez von alten PSOE-Kämpen vorgeworfen, er überschätze sich. Er könne nicht gleichzeitig gegen die PP-Regierung kämpfen, aber gegenüber den Fundamentalisten in der Podemos-Führung den Sanierungskurs und die EU-Politik verteidigen.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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