Sorgerecht:Papa, der Neonazi

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Wer seinen Nachwuchs rechtsextrem erzieht, riskiert möglicherweise bei einer Scheidung das Sorgerecht für die Kinder. Bei der Abwägung kommt es jedoch auf die Nuancen an.

Von Ulrike Heidenreich

Die Leute, die abends in deutschen Städten und vor Asylheimen gegen Flüchtlinge protestieren, halten gern Plakate hoch, auf denen steht: "Für die Zukunft unserer Kinder in Deutschland." Bei den Demonstranten laufen auch unbescholtene Väter und Mütter mit. Doch sollten sie sich durchaus auch Gedanken darüber machen, wie es um die Zukunft der Kinder in ihren eigenen Familien bestellt ist. Denn das Terrain, auf dem sie sich bewegen, ist brandgefährlich: Bei Rassismus und Fremdenhass in der Erziehung droht der Verlust des Umgangsrechts, unter Umständen sogar des Sorgerechts.

Wie wirkt sich eine fremdenfeindliche Erziehung in den Familien aus? Wo fängt es an, gefährlich zu werden? Wo verläuft die kritische Grenze? Das Bundeskriminalamt (BKA) hat analysiert, dass Rechtsextremisten mit ihren feindseligen Kampagnen zusehends in bürgerliche Milieus vordrängen. In die Mitte der Gesellschaft, in den Kern - das sind die Familien. Kommt es zum Bruch und bei den Eltern zum Streit über die Besuchszeiten, spielt erst einmal keine Rolle, ob sich ein Ex-Partner mit seinen Äußerungen oder gar Handlungen strafbar gemacht hat. Es ist immer der Schutz des Kindes, der bei möglichen Verfahren an erster Stelle steht. "Kinder können vieles noch nicht richtig einordnen, sind leicht beeinflussbar", sagt die Berliner Rechtsanwältin Eva Becker.

Die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), hat erörtert, was auf die Familiengerichte zukommt, wenn getrennt lebende Eltern, die sich schon wegen der Kinder befehden, auch noch mit ihren politischen Überzeugungen über Kreuz liegen. Geschiedene, die sich das Umgangs- oder Sorgerecht streitig machen wollen, müssten vor Gericht belegen, dass der Ex-Partner dem Kind Werte vermittelt, die es schädigen. Als Beleg, so Becker, könnten Internet-Screenshots aus sozialen Netzwerken mit rassistischen Äußerungen dienen.

Es kommt jedoch auf die Nuancen an. Ein Vater, der seinem Kind sagt, er dulde keine syrischen Flüchtlinge im Haus nebenan, tangiert damit noch nicht das Kindeswohl. Ruft er aber, man solle alle Flüchtlinge sofort umbringen, überschreitet er eine Grenze. All das muss penibel abgewogen werden. "Entscheidend ist hier der Common Sense, der gesunde Menschenverstand", sagt die Familienanwältin. Vor zwei Jahren sorgte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts für Aufsehen. Es hob die Umgangsregelung für den geschiedenen Neonazi Markus Privenau auf. Er darf seine drei Söhne nicht mehr sehen. Die Mutter war aus der rechten Szene ausgestiegen, befürchtete Racheakte und tauchte unter. Die Richter argumentierten mit Blick auf das Kindeswohl, dass die Kinder dem Vater "nicht unbeschwert" entgegentreten könnten, wenn sie ihren Wohnort und ihre Namen geheim halten müssten.

Nach der BKA-Warnung vor zunehmender rechter Gewalt legte Familienministerin Manuela Schwesig für 40 Millionen Euro ein Programm auf, das die Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus fördert. Offenkundig fürchtet die SPD-Politikerin, dass die rechte Stimmungsmache gegen die Flüchtlinge auch in die Familien hineinspielt - mit fatalen Folgen.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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