Sonderparteitag in Berlin:Grüne sagen Ja zu Atomausstieg bis 2022

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Erfolg für die Grünen-Spitze: Die Partei will dem Atomausstieg nach den Plänen der schwarz-gelben Bundesregierung zustimmen. Damit setzte sich die Parteiführung bei der Basis durch. Vorausgegangen waren heftige Rededuelle beim Sonderparteitag.

Die Grünen wollen den Atomausstiegs-Plänen der schwarz-gelben Bundesregierung trotz starker Bedenken zustimmen. Damit setzte sich nach mehr als sechsstündiger Redeschlacht auf dem Sonderparteitag in Berlin die Grünen-Spitze durch. Die Basis gab den 68 Bundestagsabgeordneten bei wenigen Gegenstimmen grünes Licht, an diesem Donnerstag Ja zur Atomgesetznovelle zu sagen - und damit zu einem Ausstieg innerhalb von elf Jahren.

Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth hat sich mit ihrem Ja zum Atomausstiegskurs der Bundesregierung durchgesetzt. (Foto: dpa)

Weitere Gesetze zum Ausbau der erneuerbaren Energien wollen die Grünen ablehnen. Die Koalition braucht die Stimmen der Grünen nicht, doch peilt nun auch die Ökopartei einen parteiübergreifenden Konsens an. "Es gibt in diesem Land keine Mehrheit für die Nutzung der Atomenergie", sagte Parteichef Cem Özdemir bei dem Treffen in Berlin.

Den Atomausstieg wollen die Grünen im Grundgesetz verankert wissen. Zuvor hatte es eine heftige Redeschlacht gegeben. Viele Delegierte wollten ein Nein durchsetzen, weil ihnen der Ausstieg nicht schnell genug geht. Die Grünen wollen eigentlich bis 2017 das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abschalten. Nun streben sie eine Beschleunigung des Ausstiegs an, falls sie nach der Bundestagswahl 2013 an die Regierung kommen. Forderungen nach Bedingungen für ein Ja konnten sich trotz starken Zuspruchs in den Abstimmungen nicht durchsetzen. Sie seien "naiv", sagte die Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn. Allerdings soll die Sicherheit der Atomkraftwerke nach Möglichkeit verbessert werden.

Lange war der Ausgang des Parteitags offen. Befürworter und Gegner erhielten in der turbulenten Debatte lauten Applaus der rund 770 Delegierten. Geschlossen riefen die Spitzenpolitiker von Partei und Fraktion die Basis zu einem Ja auf. "Wir haben diese schwarz-gelbe Regierung zur Wahrheit gezwungen", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. Die Rücknahme der "unsäglichen Laufzeitverlängerung", nach der die Atommeiler bis weit über 2040 hinaus gelaufen wären, sei grünes Ziel gewesen, sagte Roth. "Das ist der Sieg von Bündnis 90/Die Grünen" und eine desaströse Niederlage für die Atomparteien. Für die sieben ältesten Meiler plus AKW Krümmel gelte der Sofortausstieg, sagte Roth. Für die anderen gebe es feste Daten. "Da müssen wir Grünen doch zupacken."

Fraktionschef Jürgen Trittin rief den Delegierten zu: "Wie glaubwürdig wäre es, wenn wir gegen unsere eigenen Anträge stimmen würden?" Er sagte: "Da muss jeder, der für 2017 ist, für 2022 stimmen und darf nicht für 2040 stimmen." Mit den ältesten Meilern gingen die AKW vom Netz, die bei einem Flugzeugabsturz einen Super-GAU verursachen könnten. Da könne kein Grüner Nein sagen. "Alles andere ist mit meinem Verständnis von Atomkraftgegnerschaft nicht zu vereinbaren."

Doch auch die Befürworter eines Nein heimsten reichlich Beifall ein. Merkel habe keinen Konsens gesucht, wetterte die Sprecherin der Grünen Jugend, Gesine Agena. "Wenn Merkel nicht einmal die Zeit oder den Mut oder was auch immer hat, mit uns zu verhandeln, dann verdient sie unsere Zustimmung auch nicht." Der Partei-Linke Hans-Christian Ströbele löste mit einem flammenden Appell für ein Nein "Abschalten"-Sprechchöre aus. "Wir können uns nicht auf 2022 verständigen", mahnte der altgediente Bundestagsabgeordnete. Nicht minder demonstrativ fiel direkt im Anschluss aber der Jubel für Fraktionschefin Renate Künast und ihr Plädoyer für ein Ja im Parlament aus.

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann betonte, die Länder hätten viel erreicht, etwa den stufenweisen Ausstieg. "Es ist ein guter Kompromiss." Ein parteiübergreifender Konsens habe einen sehr hohen Wert. Kretschmann mahnte die Grünen, dies sei eine Richtungsentscheidung. Roth und Trittin versicherten, bei einer Regierungsbeteiligung würden die Grünen den Ausstieg möglichst beschleunigen, die Sicherheitsstandards erhöhen und das Atommülllager in Gorleben schließen. "Dann setzen wir die Daumenschrauben an", versprach Roth.

Viele Menschen erwarteten, dass die Grünen auch in der Opposition Politik gestalten. Die weiteren Pläne der Regierung für mehr Ökostrom - auch sie stehen zur Abstimmung im Parlament - lehnen die Grünen geschlossen als unzureichend ab. "Einem solchen unverantwortlichen zukunftsvergessenen Unsinn werden Grüne natürlich nie und nimmer zustimmen", sagte Roth. Der frühere CDU-Umweltminister Klaus Töpfer riss die Delegierten mit einem Plädoyer für den Atomausstieg als "Gemeinschaftswerk" mit.

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