Sonderermittler:Konsequent hartnäckig

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Der ehemalige Bundesanwalt Bruno Jost gilt als umsichtig und ungewöhnlich unerschrocken. Diese Eigenschaften braucht er wohl auch im Fall Amri.

Von Hans Leyendecker

Ein Sonderermittler soll unabhängig sein, umsichtig, erfahren und konsequent. All diese Eigenschaften treffen auf Bruno Jost zu, der im Fall Anis Amri das mögliche Versagen der Berliner Behörden untersucht. Die Vorstellung, dass ihm irgendjemand eine politische Weisung erteilen könnte, wäre wirklichkeitsfremd. Jost hat, solange man sein berufliches Leben verfolgen konnte, stets durch Unabhängigkeit geglänzt. Auch wenn die Widerstände ganz groß waren. Der frühere Bundesanwalt, Jahrgang 1949, galt schon früher als ungewöhnlich unerschrocken.

Gemeinsam mit seinem damaligen Kollegen Ronald Georg hat er im Berliner Mykonos-Prozess die Anklage vertreten. Es ging um ein Attentat im September 1992 im Berliner Lokal "Mykonos", bei dem vier kurdisch-iranische Oppositionelle buchstäblich hingerichtet worden waren. Auch Jost war damals, wie andere, zunächst der Meinung, dass die kurdische Terrororganisation PKK dahinterstecken könnte. Doch am Ende kam er zu dem Schluss, dass die damaligen politischen und religiösen Führer Irans die Morde in Auftrag gegeben hatten. Das hat er dann auch gesagt - es war ein außerordentliches Politikum. Damals konnte bewiesen werden, dass hinter dem Mykonos-Anschlag der Chef des iranischen Geheimdienstes steckte.

Josts Hartnäckigkeit kam nicht überall gut an. Ein deutscher Diplomat nannte ihn ein "Arschloch", weil der sich nicht um die damals üblichen diplomatischen Usancen kümmerte. Jost und seine Familie mussten unter Polizeischutz gestellt werden. Die Mörder wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die Hintermänner in Iran kamen davon, aber auch für sie war der Fall sicherlich ein Lehrstück in Sachen unabhängiger Justiz.

Einer breiteren Öffentlichkeit fiel der früh ergraute Strafverfolger auf, weil er in der Kohl-Affäre nach Sichtung vieler Akten dem Verdacht entgegentrat, dass deutsche Politiker bei der Privatisierung der Leuna-Raffinerie geschmiert worden sein könnten. Der Verdacht war von französischen Korruptionsbekämpfern genährt und von ausländischen Strafverfolgern und einer Richterin verstärkt worden. Jost zeigte sich erkennbar irritiert, dass ein damaliger Schweizer Generalstaatsanwalt mit dem Fall Leuna Stimmung gegen die deutsche Justiz gemacht hatte, die angeblich den Vorwürfen in Sachen Leuna nicht nachgegangen sei.

Mit nur 60 Jahren ging der Hobbyimker Jost 2009 in den Ruhestand. Drei Jahre später wurde er in die Bund-Länder-Kommission zur Untersuchung der NSU-Morde berufen - schon damals als Fachmann für schwierige Fälle.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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