Soldatengelöbnis im Bendlerblock:Bundeswehr gedenkt Widerstand gegen Hitler

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Vom Platz vor dem Reichstag hinter die Mauern des Verteidigungsministeriums: 400 Bundeswehr-Rekruten legten ihr Gelöbnis am Jahrestag des Hitler-Attentats diesmal vor dem Bendlerblock ab. Der Ortswechsel sorgt für Streit.

Am 68. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler hat Deutschland die Männer des 20. Juli 1944 um den Wehrmachtsoffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Patrioten gewürdigt. Ihre Tat könne auch heute noch Vorbild für die Soldaten sein, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitagabend beim feierlichen Gelöbnis von 400 Bundeswehr-Rekruten in Berlin.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) im Bendlerblock in Berlin: Beim traditionellen Bundeswehrgelöbnis zum Jahrestag des Umsturzversuchs legen etwa 400 Rekruten ihren Eid ab. (Foto: REUTERS)

Zuvor hatte die Bundesregierung mit Kranzniederlegungen und einer Gedenkstunde an die Widerstandskämpfer erinnert. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sagte bei der Feierstunde im Bendlerblock, den Verschwörern und ihren Familien sei in Deutschland auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch eine "stille Verachtung" entgegengeschlagen. Doch seien sie keine Verräter gewesen. Im Gegenteil: Stauffenberg und alle anderen Widerstandskämpfer hätten den Grundstein dafür gelegt, dass Deutschland nach Kriegsende wieder in die Völkergemeinschaft zurückkehren konnte.

Für Aigner gehört daher zum Vermächtnis des Widerstands, sich gegen Willkür und Fremdenhass zu erheben. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erneuerte vor diesem Hintergrund die Forderung nach einem Verbot der rechtsextremen NPD. Der 20. Juli sei einmal mehr Anlass, "Gesicht zu zeigen gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus".

"Attentat erfolglos, aber nicht sinnlos"

Der frühere polnische Botschafter Janusz Reiter sagte bei der Feierstunde im Bendlerblock, der Anschlag von Stauffenberg sei zwar erfolglos, "aber nicht sinnlos" gewesen. Der Einsatz des persönlichen Lebens sei in einer Zeit erfolgt, in der sogar das Christentum in Deutschland moralisch versagt habe. Wenn heute nun Deutsche und Polen gemeinsam dieser Zeit gedenken und die Attentäter gemeinsam würdigten, sei das ein ermutigendes "Zeichen der Hoffnung", hob der Botschafter hervor.

De Maizière unterstrich am Abend auf dem Rekruten-Gelöbnis, die Verschwörer hätten in einer Diktatur "tapfer Zeugnis" abgelegt für das andere Deutschland, für ein Deutschland in Freiheit und Recht. Daher stelle sich die Bundeswehr bewusst in diese Tradition sowie in die Tradition des Neubeginns mit dem "Staatsbürger in Uniform".

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, ermunterte die jungen Männer und Frauen in Uniform zum Mitdenken. Das Attentat auf Hitler vor 68 Jahren habe gezeigt, dass es "Grenzen des Gehorsams" gebe. Gerade die heutige Bundeswehr als eine Armee im Einsatz brauche Soldaten mit Gewissen. Zugleich appellierte er an die Gesellschaft, den Soldatenberuf mehr als bisher anzuerkennen.

Proteste und Streit zum Gelöbnis

Begleitet wurde das Rekruten-Gelöbnis von Protesten eines Bündnisses linker Gruppen unter dem Motto "Gelöbnix 2012 - Krieg beginnt hier, der Widerstand auch!" Polizeiangaben zufolge folgten insgesamt etwa 150 Teilnehmer dem Aufruf. Die Veranstalter zählten im Verlauf des Abends bis zu 300 Demonstranten. Zwischenfälle gab es nach Angaben eines Polizeisprechers nicht.

Allerdings entbrannte um den Gelöbnisort ein neuer Streit. Von 2008 bis 2011 hatte die Zeremonie alljährlich vor dem Reichstag stattgefunden. Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus kritisiert, dass die Gelöbnisse nun wieder im Bendlerblock stattfinden: "Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und kein Ministerialheer", sagte er der Welt. Ähnlich äußerte sich der Wehrexperte der Unionsfraktion, Bernd Siebert (CDU). "Gelöbnisse einer Freiwilligenarmee gehören nicht in die Kaserne, die Soldaten und ihr Tun muss sichtbar bleiben", mahnte er.

De Maizière widersprach. Der Platz vor dem Reichstag stehe für das Zusammenwirken von Regierung und Parlament - also die Frage, ob die Parlamentsarmee in den Einsatz geschickt wird. Der Bendlerblock hingegen stehe dafür, "wie die Bundeswehr geführt wird", unterstrich de Maizière in der ARD. Und der Bendlerblock sei auch jener Ort, an dem die Bundeswehr ihrer Gefallenen gedenkt. Insofern sei ein jährlicher Wechsel, wie er jetzt vorgesehen ist, durchaus sinnvoll.

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