Slowakei:Signal an die Wähler

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Er könnte der neue Premier der Slowakei werden: Igor Matovic. "Entscheide es", steht auf seinem Wahlplakat. (Foto: Gabriel Kuchta/Getty Images)

Ein slowakischer Geschäftsmann mit Verbindungen in höchste Regierungskreise ist verurteilt worden - nun liegen Populisten bei Umfragen in Führung.

Von Viktoria Großmann, München

Zwei Tage vor den Parlamentswahlen ist in der Slowakei ein wichtiges Urteil gefallen: Der Geschäftsmann Marian Kočner ist zu einer Haftstrafe von 19 Jahren verurteilt worden, weil er Schuldscheine im Wert von 69 Millionen Euro gefälscht haben soll. Marian Kočner ist außerdem angeklagt, den Mord an dem Journalisten Ján Kuciak in Auftrag gegeben zu haben. Dieser Prozess dauert aber noch an.

Das Urteil jetzt ist jedoch ein wichtiges Signal. Kočner hatte Verbindungen in höchste Regierungskreise. Eine Regierung, die, wie es nach jüngsten Umfragen aussieht, am Samstag abgewählt wird. Die sozialdemokratische Smer SD, die seit 2006 fast durchgehend an der Macht war, liegt mit 15,6 Prozent nur noch auf Platz zwei. Ihre beiden Koalitionspartner werden wahrscheinlich nach den Wahlen nicht mehr im Parlament vertreten sein.

Vor zwei Wochen wurden in der Slowakei letztmals Umfrageergebnisse von Wahlforschungsinstituten veröffentlicht. Damals lag die Smer SD noch vorn. Seither gilt eine Sperre. Tschechische Medien leisten nun Nachbarschaftshilfe und bringen kurz vor der Wahl nochmals neue Daten. Nach diesen liegt mit 19 Prozent die Partei "Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten", kurz Oľano, in Führung. Deren Gründer und Vorsitzender Igor Matovič, 46 Jahre alt, ehemals Unternehmer, jetzt Vollzeitpolitiker, sieht sich bereits als neuer Premier.

Beobachter verfolgen seinen Aufstieg mit gemischten Gefühlen. Er gilt als Populist, in seinen Ansichten und seiner Haltung gegenüber politischen Partnern als unzuverlässig. Noch als Mitglied einer anderen Partei wurde er 2010 erstmals Abgeordneter, gründete im selben Jahr die Partei Oľano und zog mit dieser 2012 bei vorgezogenen Wahlen ins Parlament ein. Seither hat er eine steile Karriere gemacht. Von Anfang an inszenierte sich Matovič als "mutiger Kämpfer" gegen Ex-Premier Robert Fico und die Smer SD. Fico wird im Programm von Oľano offen als Mafioso bezeichnet. Die Partei schreibt sich Erfolge im Kampf gegen Korruption, Mafia und Machtmissbrauch zu - darunter die Rücktritte von Premier Fico und Innenminister Robert Kaliňák nach dem Mord an Kuciak.

Dazu hat aber wohl vor allem auch der Druck der Bevölkerung beigetragen, organisiert von der Bewegung "Für eine anständige Slowakei" und die in diesem Umfeld entstandenen Parteien "Spolu" (Gemeinsam) und Progressive Slowakei (PS), die sich zusammengeschlossen haben. Aus ihren Reihen ging Präsidentin Zuzana Čaputová hervor, die vor einem Jahr gewählt wurde. Die frühere Bürgerrechtlerin und Anwältin verkörpert die Hoffnung auf Anstand in der Politik. PS/Spolu stehen für eine europafreundliche, liberale Politik, mit klarem Fokus auf Transparenz und Korruptionsbekämpfung. Mit ähnlichen Zielen tritt Čaputovás Vorgänger, der frühere Präsident Andrej Kiska, mit seiner Partei "Za ľudi" (Fürs Volk) an. Die eher konservative Partei hat er im September gegründet. Einen Zusammenschluss mit PS/Spolu hat er abgelehnt - jeder für sich könne mehr erreichen. Danach sieht es nun nicht aus. Seine Partei liegt bei 6,6 Prozent, PS/Spolu könnte immerhin mehr als neun Prozent erreichen. Das könnte in einer Koalition mit der Partei von Igor Matovič immerhin für einige Ministerposten reichen.

Kiska musste sich im Wahlkampf mit heftigen Schmutzkampagnen herumschlagen, die dem einst beliebten Präsidenten wohl geschadet haben. PS/Spolu konnten sich mit ihrem bescheideneren, sachlichen Auftreten gegen Matovič wohl zu wenig durchsetzen. "Matovič ist so weit gekommen, weil er im Wahlkampf am sichtbarsten war", erklärt Milan Nič von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die Tageszeitung Sme findet, Matovič sei ein größerer Populist als Fico. Matovič wolle an die Macht "um jeden Preis".

Drittstärkste Kraft könnte mit zehn Prozent die faschistische Partei ĽSNS werden. Sie beschimpft Roma als Parasiten oder Asoziale, fordert den Austritt aus EU und Nato. Ein Verbotsverfahren gegen die Partei scheiterte. Slowakische Medien spekulieren über eine Zusammenarbeit von Smer SD und ĽSNS. Inhaltlich gibt es aber kaum Übereinstimmungen, zudem dürften die Sitze für eine Regierungsbildung nicht reichen.

© SZ vom 28.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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