Sicherungsverwahrung:Recht, Ordnung, Menschenrecht

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Überall, wo als gefährlich eingestufte Gewalt- und Sexualtäter entlassen werden müssen, sind die Ängste groß. Dabei hat Justizministerin Leutheusser gute Gründe, die nachträgliche Sicherungsverwahrung abzuschaffen.

Susanne Höll

Die schwarz-gelbe Koalition hat in den vergangenen neun Monaten zu häufig in zu schrillen Tönen gestritten - doch in der ebenso sensiblen wie schwierigen Frage des Umgangs mit rückfallgefährdeten Straftätern waren Union und FDP offenbar von Anfang an entschlossen, jedes Spektakel zu vermeiden. Sie haben sich zum Glück lange daran gehalten. Überall, wo in diesen Wochen und Monaten als gefährlich eingestufte Gewalt- und Sexualtäter nach Verbüßung ihrer Strafe entlassen werden müssen, sind die Ängste in der Bevölkerung groß. Niemand muss diese schüren, schon gar nicht die Bundesregierung.

(Foto: dpa)

Doch mit der Zurückhaltung scheint es nun, zumindest in der CDU/CSU, vorbei zu sein. Selbst der moderate Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) suggeriert inzwischen, seine Kabinettskollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gefährde mit ihren Plänen zur Reform der Verwahrung die öffentliche Sicherheit. Eine Fußfessel, wie sie die Justizministerin vorschlage, ersetze nicht die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt, argumentieren die Innen-Experten der Union. Das mag so sein. Richtig ist aber auch, dass die Idee eines solchen Einsatzes der Fußfessel nicht von Leutheusser-Schnarrenberger stammt, sondern von den Landesinnenministern der Union, die sich noch im Frühjahr hiervon große Erleichterung bei der Kontrolle von Freigelassenen versprachen. Die Justizministerin war und ist in dieser Frage skeptisch, will den Ländern aber nicht im Wege stehen. Inzwischen sind die allzu hohen Erwartungen in die Kontrollmöglichkeiten der Fußfessel zerstoben - und die Union tut so, als sei dafür die Ministerin verantwortlich.

Auch hegt Leutheusser-Schnarrenberger keineswegs die Absicht, als gefährlich geltende Straftäter nach dem Ende ihrer Haft künftig einfach in die Freiheit zu entlassen. Sie will allerdings die Praxis stoppen, wonach Schwerkriminelle noch am letzten Tag im Gefängnis zu anschließender Verwahrung in einer geschlossenen Anstalt verurteilt werden können. Stattdessen sollen Richter schon bei der Verurteilung eines Straftäters signalisieren, ob eine anschließende Unterbringung folgen könnte. Denn die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung ist aus therapeutischer, aber auch aus rechtlicher Sicht bedenklich.

Es könnte gut sein, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bald auch die nachträgliche Verwahrung als Menschenrechtsverletzung einstuft und kippt. 2009 haben die Straßburger Richter das deutsche Gesetz kassiert, wonach die Sicherungsverwahrung im Nachhinein verlängert werden konnte. Wegen dieses Spruches kommen nun Häftlinge frei; bei einer zweiten Niederlage vor dem Menschenrechtsgerichtshof müssten weitere entlassen werden. Die Justizministerin handelt also nicht fahrlässig, im Gegenteil. Sie will sehr wohl Recht und Ordnung wahren - so, wie es die Menschenrechtskonvention gebietet.

© SZ vom 05.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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