Serbien und Russland:Putin, mein Freund

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Slawischer Bruder? Traditionell fühlt man sich in Serbien Putins Russland sehr verbunden. (Foto: Darko Vojinovic/AP)

In zwei Wochen will der serbische Staatschef Aleksandar Vučić wiedergewählt werden. Doch sein Wahlkampf wird überschattet von der Frage, auf wessen Seite er sich in der Auseinandersetzung des Westens mit Russland stellt.

Von Enver Robelli, Zürich

Während in der Ukraine der russische Angriffskrieg tobt, beginnt in Serbien gerade die heiße Phase des Wahlkampfs. Das Balkanland wählt am 3. April ein neues Parlament und einen neuen Staatschef. Für Amtsinhaber Aleksandar Vučić sind es keine einfachen Tage - er will es sich weder mit der EU und den USA verscherzen noch die Gunst Russlands verlieren.

Die unabhängige Belgrader Zeitung Danas hat Vučić einmal als Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur in Personalunion beschrieben. Zweifellos besitzt er das Talent, dem Heimpublikum das Gefühl zu geben, er kämpfe unermüdlich an allen Fronten für das Wohl seines Volkes. Besonders in diesen schweren Tagen.

Seit der Kremlherrscher Wladimir Putin die Ukraine überfallen hat, bemüht sich Vučić nach Kräften, seinen bewährten Schlingerkurs zwischen Ost und West beizubehalten. Zunächst schwieg er tagelang, dann erklärte er, Serbien unterstütze die territoriale Unversehrtheit der Ukraine. Putin, den Hauptschuldigen für die Tragödie, erwähnte Vučić mit keinem Wort, auch verurteilte er nicht explizit den Feldzug des Kreml gegen das Nachbarland. Und Vučić machte deutlich, dass Belgrad die westlichen Sanktionen gegen Russland nicht mittragen werde.

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Bei Sanktionen macht Serbien nicht mit

Das ist nicht neu. Serbien will zwar der EU beitreten, verhandelt darüber mit Brüssel seit 2014, hat in den vergangenen 15 Jahren allein aus dem EU-Heranführungsfonds knapp drei Milliarden Euro erhalten und ist damit der größte Nutznießer in der Region - doch bei Sanktionen gegen Schurkenstaaten oder Autokratien macht das Land nicht mit.

In Brüssel und Washington sorgt das Gebaren Vučić seit Längerem für Irritationen. Anfang März erfolgte unerwartet eine kleine Kehrtwende: Serbien unterstützte eine Resolution der UN-Vollversammlung, die Russlands Einmarsch in die Ukraine kritisierte und Moskau zum Abzug aufforderte. Offensichtlich war der westliche Druck auf Vučić zu groß geworden, endlich Position zu beziehen. Zudem wollte Serbien vermutlich nicht zum kleinen Kreis der Putin-Unterstützer bei den Vereinten Nationen gehören. Gegen die Resolution stimmten vier lupenreine Diktaturen: Nordkorea, Eritrea, Belarus und Syrien.

Kaum hatten seine Diplomaten in New York für die UN-Resolution votiert, äußerte Vučić die Sorge, demnächst drohe eine Initiative, um Russland ganz aus den Vereinten Nationen auszuschließen. Das könnte, so Vučić, dramatische Folgen für Belgrad haben, denn Moskau lehnt wie Serbien die Unabhängigkeit Kosovos ab. Als Vetomacht hat Russland entscheidenden Einfluss, um die Aufnahme Kosovos in internationale Organisationen zu blockieren. Belege für seine Behauptung, wonach Russland bald mit einem Rauswurf aus den UN rechnen müsse, lieferte Vučić nicht.

Putin wird als Kult- und Kunstfigur gefeiert

Was verbindet Serbien mit Russland? Oft ist die Rede von der sogenannten slawischen Brüderschaft und der gemeinsamen christlich-orthodoxen Konfession. Noch mehr schweißt die beiden Länder aber das Grundmisstrauen gegenüber dem Westen zusammen. Der Politologe und Ex-Diplomat Ivo Visković sprach kürzlich in einem Radiointerview von einer "pathologischen Liebe" seiner Landsleute zu Russland: Man bewundere Putin, weil er ein Gegner der Nato sei, die Serbien 1999 im Kosovo-Konflikt bombardiert habe.

Seit Vučić vor zehn Jahren an die Macht gekommen ist, wird Putin in Serbien als Kult- und Kunstfigur gefeiert. Mehrere serbische Städte haben dem Kremlchef die Ehrenbürgerschaft verliehen, in den von Vučić kontrollierten Boulevardmedien gilt Putin als moderner Herkules im Kampf gegen den bösen Westen. Als am 24. Februar russische Panzer die Grenzen der Ukraine überquerten, erschien ein Belgrader Revolverblatt mit der Schlagzeile: "Die Ukraine hat Russland angegriffen!"

Auf den Straßen Belgrads marschierten die Putin-Fans bisher zweimal - mit Z-Schildern, russischen Flaggen, Putin-Bildern und Holzkreuzen. Die Bilder gingen um die Welt. Eine Solidaritätskundgebung für die Ukraine fand dagegen weniger Beachtung. Ein Putin-Graffito in Belgrad wurde beschmiert: Über dem ursprünglichen Schriftzug "Bruder" schrieb jemand "Mörder".

Die slawische Bruderschaft kann schnell in Bruderzwist ausarten

Das Lavieren der serbischen Staatsführung zwischen Ost und West empört mehrere EU-Parlamentarier. In einem Brief fordern sie die EU-Kommission auf, Hilfsgelder für Serbien einzufrieren und die Beitrittsverhandlungen auszusetzen. Kaum hatte die EU ihren Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt, verdoppelte Air Serbia die Zahl der Flüge nach Moskau und Sankt Petersburg. Die Reaktion aus Kiew fiel harsch aus. Die stellvertretende Außenministerin der Ukraine, Emine Dscheppar, twitterte. "Mit ukrainischem Blut Geld zu verdienen, ist eines EU-Beitrittskandidaten unwürdig." Daraufhin erklärte Vučić, man werde die Zahl der Flüge auf einen pro Tag reduzieren.

In westlichen Sicherheitskreisen wird seit Jahren gewarnt, Russland und Serbien würden gemeinsam eine Spionagezentrale im südserbischen Niš betreiben. Den Vorwurf weisen beide Staaten zurück und betonen, es handle sich um ein harmloses Zentrum für Katastrophenhilfe. Nach Angaben der britischen Zeitschrift The Economist sind die serbischen Militärausgaben zwischen 2015 und 2021 um rund 70 Prozent auf 1,4 Milliarden Dollar jährlich gestiegen. Russland und Belarus haben dem Balkanland zehn MiG-29-Kampfflugzeuge geschenkt. Moskau liefert der serbischen Armee zudem Panzer, Helikopter und ein Panzir-S1-Flugabwehrsystem. Doch die Sicherheitspolitik Belgrads konzentriert sich nicht nur auf die Zusammenarbeit mit Russland. In Frankreich kauft Serbien Mistral-Raketen für die Luftverteidigung, und serbische Armeeangehörige nehmen an gemeinsamen Übungen mit Nato-Soldaten teil.

Dass die slawische Bruderschaft schnell in Bruderzwist ausarten kann, zeigt eine Spionageaffäre aus dem Jahr 2019: Damals wurde im Internet von einer anonymen Quelle ein Video gepostet, auf dem zu sehen war, wie ein russischer Diplomat einem serbischen Offizier einen Plastiksack mit Geld übergibt. Vučić reagierte empört und entgeistert: "Ich kann in all dem keine Logik erblicken. Serbien ist das einzige Land, das keine Sanktionen gegen Russland verhängt hat, nie gegen Russland gestimmt hat, nie etwas getan hat, um die Freundschaft mit Russland zu trüben. Deshalb frage ich die russischen Freunde, fragte ich heute den russischen Botschafter: warum?"

Manche Beobachter in Belgrad bezweifeln, dass Vučić nach den Wahlen Anfang April seinen bisherigen Drahtseilakt in der Außenpolitik fortsetzen kann. Dass die zerstrittene Opposition die Wahlen gewinnt, gilt als unwahrscheinlich. Im vergangenen November machte Putin seinem serbischen Amtskollegen vorsorglich ein Wahlgeschenk: Gaslieferungen zum Vorzugspreis, also 270 Dollar pro 1000 Kubikmeter. Zuvor hatte der russische Gazprom-Konzern 790 Dollar verlangt. Der für Serbien sehr vorteilhafte Deal läuft im Sommer aus.

Sollte Moskau bis dann seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht beenden, wird die EU das Abseitsstehen Serbiens bei Sanktionen kaum tolerieren. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock kam vor einigen Tagen nach einem Treffen mit Vučić in Belgrad schnell zur Sache: Es seien jetzt "klare Worte und Taten gefragt", forderte sie. Wer die europäischen Werte teile, könne nicht an der Seitenlinie stehen.

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