Senioren:Vergessen und vernachlässigt

Die neuen Pläne der Bundesregierung gehen in die richtige Richtung, werden aber den Pflegenotstand nicht beheben. Der wahre Grund dafür ist die Geringschätzung des Alters und der Alten in unserer Gesellschaft.

Von Werner Bartens

Alte haben keine Lobby. Sie werden in Heime abgeschoben oder im Verborgenen gepflegt. Sie sind ausgeschlossen von gesellschaftlicher Teilhabe, auch wenn Sonntagsredner exotische Völker zitieren, die ihren weisen Alten den Platz in der Stammesmitte einräumen. Ein schönes Bild - der hiesigen Realität entspricht es nicht.

Hier geht es den Alten wie einer verblassenden Erinnerung - vergessen und vernachlässigt. Die Geringschätzung der Alten ist der wahre Grund für den Pflegenotstand. Weil alte Menschen eher als lästig gelten, ist auch die Altenpflege nicht attraktiv. Die "Konzertierte Aktion Pflege" der Bundesregierung wird deshalb das Image der Pflege kaum verändern. Natürlich wäre es wichtig, Pflegekräften mehr zu bezahlen, die Ausbildung und den Personalschlüssel zu verbessern - damit auf schöne Worte konkrete Hilfe folgt. Allerdings bleibt unklar, wer die Kosten trägt.

Zudem gibt es Systemfehler: Die Hälfte der Heime in Deutschland ist in privater Hand. Steht Rendite an erster Stelle, sind kaum finanzielle Verbesserungen für die Pflege zu erwarten. Pflege gehört zur Daseinsfürsorge und damit in öffentliche oder konfessionelle Hand. Werden die Alten zum Spekulationsobjekt, ist keine Besserstellung der Pflegekräfte zu erwarten. Für eine Wertschätzung des Alters spricht es schon gar nicht.

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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