Seenotrettung:Geist oder Geld

Lesezeit: 2 min

Italien versucht, die EU zu erpressen. Davon, ob dem Land das gelingt, hängt ab, ob die Rettungsmission "Sophia" weitergeht. Wenn ja, liegt es am Geld und nicht am humanitären Geist.

Von Andrea Bachstein

Um die Leben der Menschen zu ehren, die wir retten", so sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini 2015, solle die europäische Marinemission "Sophia" heißen. So wie ein kleines Mädchen, das einige Wochen zuvor auf einer deutschen Marine-Fregatte geboren wurde von einer aus Somalia geflüchteten und im Mittelmeer geretteten Frau. Die symbolische Geste, eine Militärmission nach einer menschlich anrührenden Begebenheit zu nennen, drückte etwas aus vom humanitären Geist, den Europa mit der Mission wiedergefunden hatte - allerdings erst unter dem Eindruck von Hunderten Toten bei Schiffsunglücken. Europa hatte eingesehen, dass es nie zu rechtfertigen wäre, dem Sterben auf dem Mittelmeer einfach zuzusehen, dass sämtliche Werte Europas mit untergegangen wären. Jetzt, nur drei Jahre danach, klingen Mogherinis Worte wie aus einer fernen Vergangenheit, Leuten wie Italiens Lega-Innenminister Matteo Salvini mögen sie wie eine Fremdsprache vorkommen; er nennt Flüchtlinge wie Sophia und ihre Mutter Ladungen von "menschlichem Fleisch".

Die Populisten in Rom haben die Mission Sophia, deren Besatzungen 50 000 Menschen gerettet haben, mit der Drohung in Frage gestellt, auch Militärschiffe mit Flüchtlingen nicht mehr in Italiens Häfen zu lassen. So richtig es ist, dass Italien mehr Beistand fordert bei der Bewältigung der Migration, so hässlich ist der Stil. Und beschämend für den Rest der EU, auf Erpressung reagieren zu müssen, weil nach den zivil vorgetragenen Wünschen der vorigen römischen Regierung zu wenig geschah.

Was die EU-Kommission jetzt vorschlägt, sind Variationen seit Jahren kursierender Ideen. Sie sind nicht per se unvernünftig, man darf ernsthaften Willen unterstellen, auch weil dafür gutes Geld bereitstehen soll. Aber einiges davon ist noch so unrealistisch wie vor Jahren, vor allem "Ausschiffungsplattformen" auf nordafrikanischem Boden. In solche Zentren sollen Gerettete gebracht werden, damit rasch über ihre Zurück- oder Weiterführung entschieden wird. Sie sind reine Gedankengebäude, keines der fraglichen Länder ist bereit, sie erbauen zu lassen.

In EU-Ländern sollen neue Kontrollzentren entstehen, wo binnen drei Tagen gefiltert wird, wer Aussicht auf Schutz und Aufnahme hat und an andere Staaten übergeben wird. Das dürfte noch rechtliche Fragen aufwerfen; abgesehen davon hat bisher kein Staat "Hier" gerufen - selbst wenn die EU alles finanzieren, Personal schicken und sogar Prämien zahlen will.

Und damit ist man wieder an dem würgenden Knoten, den Italien durchschlagen will: der Weigerung einiger Länder, sich zu beteiligen an der Verteilung von Flüchtlingen in Europa. Die Ironie darin bleibt, dass es genau jene von nationalistischen Politikern geführten Regierungen sind, denen sich Salvini ideologisch so verbunden fühlt. Eine Internationale der Nationalisten bleibt ein Paradox. Der Italiener hat auch prompt schon getönt, er wolle nicht "Almosen" aus Brüssel, sondern keine Flüchtlinge mehr.

Der Mission Sophia bleibt damit die Gnadenfrist von einem Monat, bis die EU-Länder, allen voran Italien, entscheiden, ob und wie sie weitergeht. Man muss wohl die größte Hoffnung darauf setzten, dass EU-Geld da oder dort Umdenken erkaufen kann. Dass es der Geist bewirken könnte, der Pate stand bei der Taufe von Sophia, ist leider weniger wahrscheinlich.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: