Seehofer:Die Abschiebung

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Merkels angekündigter Rückzug hat in der CDU Erleichterung und Respekt ausgelöst. Seehofer wird in der CSU nur noch mit einem von beidem rechnen können. Er tritt nicht ab, er wird beiseitegeschoben.

Von Nico Fried

Er lasse sich nicht von einer Kanzlerin verdrängen, der er überhaupt erst ins Amt geholfen habe - so hat es Horst Seehofer im Sommer auf dem Höhepunkt des letzten Streits über die Flüchtlingspolitik gesagt. Es war ein Satz, der Seehofers Verständnis der eigenen Bedeutung auf den Punkt brachte: Für ihn war stets klar, dass er nicht werden konnte, was Angela Merkel geworden ist. Deshalb legte er Wert darauf, dass sie Kanzlerin sein durfte, aber nur von seinen Gnaden. Und nun ist es doch Angela Merkel, die Horst Seehofer stürzt, weil sie mit ihrem angekündigten Abschied auch seinen Rücktritt als CSU-Chef unausweichlich gemacht hat.

Am Ende, wenn Seehofer sich erklärt, wird er womöglich noch behaupten, er habe das auch schon alles lange geplant. So wie Merkel, die ihren Rückzug auf Raten bereits im Sommer entschieden haben will. Man wird bei der Kanzlerin nie wissen, ob das wirklich stimmt. Bei Seehofer aber ist offensichtlich, dass es an der Fähigkeit zur Weitsicht genauso fehlte wie an der Bereitschaft zur Selbstbeschränkung. Merkel inszeniert einen Abgang vom CDU-Vorsitz und aus dem Kanzleramt, der zumindest souverän aussieht. Seehofers politisches Ende wird nicht inszeniert, sondern vollzogen. Er tritt nicht beiseite, er wird abgeschoben.

Der CSU-Chef hätte es einfacher haben können und auch besser verdient. Er hatte seinen Abschied schon vor Jahren angekündigt und dann doch immer wieder verzögert. Um jeden Preis meinte er, Markus Söder als seinen Nachfolger verhindern zu müssen, was letztlich auch eine Tarnung für seinen Irrglauben an die eigene Unersetzlichkeit war. Jetzt ist Söder nicht nur Ministerpräsident, er wird auch noch Parteivorsitzender - und den höchsten Preis dafür zahlt Seehofer: Er konnte Söder nicht bremsen und wird auch noch für die Niederlage in die Verantwortung genommen, die sein Nachfolger kassiert hat.

Als Seehofer jüngst sagte, er werde nicht wieder als Watschenbaum herhalten, sondern eher sein Amt als Parteichef zur Verfügung stellen, sah er darin offenbar eine Alternative. Jetzt aber zeigt sich: Das Amt ist weg und der Watschenmann heißt trotzdem Seehofer. Einen Abgang mit Anstand, den die CDU Merkel noch zu gewähren bereit ist, den wird die CSU gegenüber Seehofer in den nächsten Wochen nur noch behaupten. Und während die CDU aus der Nachfolgefrage mit einem ehrenwerten Dreikampf noch eine Art demokratischen Aufbruch macht, wird der neue CSU-Chef so gekürt wie immer: hinter den Kulissen.

Eine weitere Ironie der Geschichte liegt darin, dass Seehofer sogar recht behielt und trotzdem verlor. Denn Markus Söder erwies sich genau als der Mann, vor dem Seehofer immer gewarnt hatte: Die Macht im Sinn und ansonsten nicht viel. Ja, Seehofer hat mit Merkel im Sommer den unsinnigen Streit um die Abweisungen bestimmter Asylbewerber an der Grenze geführt, aber angefeuert wurde er an vorderster Stelle von Markus Söder.

Der Ministerpräsident wollte für seinen Wahlkampf unbedingt den sichtbaren Bruch mit Merkels Flüchtlingspolitik - und schlug sich am schnellsten in die Büsche, nachdem das Unternehmen gescheitert war. Seehofer wiederum versuchte noch, als Erfolg zu verkaufen, was tatsächlich seine entscheidende Niederlage war. So gesehen ist der CSU-Vorsitzende ein letztes Opfer der von ihm selbst einst beklagten Schmutzeleien Söders. Auch Angela Merkel muss in der CDU Nörgelei und Enttäuschung aushalten, Kritik und gelegentlich Hinterlist. Aber gemessen am Verrat, den Söder an Seehofer beging, verdient die CDU für den Umgang mit Merkel eine Fair-Play-Trophäe.

Weil Seehofer nicht die Stärke zum Verzicht hatte, als der richtige Zeitpunkt gewesen wäre, wurde er immer schwächer. Weil Seehofer sich nicht mehr durchsetzen konnte, musste er versuchen, es allen recht zu machen. Deshalb hat er die Flüchtlingspolitik Merkels bekämpft und trotzdem den Bestand der großen Koalition stets gewährleistet. Am Ende musste er durch angekündigte und zurückgenommene Rücktritte eine Autorität simulieren, die er längst verloren hatte. Seehofer spielte nur noch mit seinem politischen Schicksal, ohne zu merken, dass niemand so an ihm hängt, wie er an seinen Ämtern. Merkels angekündigter Rückzug hat in der CDU Erleichterung und Respekt ausgelöst. Seehofer wird in der CSU nur noch mit einem von beidem rechnen können.

Als Innenminister will er noch ausharren, vermutlich so lange wie Merkel im Kanzleramt. Er hat zuletzt erlebt, dass die meisten Länder sich seinen Aufnahmezentren für Flüchtlinge verweigern; er hat vor Wochen ein Abkommen mit Italien verkündet, das es bis heute nicht gibt; er hat einen Verfassungsschutzpräsidenten - politisch schwer nachvollziehbar, aber menschlich hoch respektabel - verteidigt, der sich dafür nun hochgradig schäbig bedankt hat. All so was will sich Seehofer weiter antun, nur um die Fassade einer Schicksalsgemeinschaft mit Merkel zu erhalten? Man wünschte ihm Besseres.

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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