Schweiz:Trockener Weinbauer

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Guy Parmelin gilt in der Schweiz bisher als unauffälliger Politiker. Seit dem Jahreswechsel ist er neuer Bundespräsident. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Der neue Bundespräsident Guy Parmelin gilt als blass und uneitel. Für den Konsensdruck im Bundesrat kann das ein Vorteil sein.

Von Isabel Pfaff, Bern

Immer um Neujahr blickt die Schweiz mit einer Mischung aus Spannung und Belustigung nach Bern. Denn dort startet zu jedem Jahreswechsel ein neuer Bundespräsident, eine neue Bundespräsidentin ins Amt: eine vor allem repräsentative und organisatorische Rolle, die unter den sieben Regierungsmitgliedern der Schweiz rotiert. Der neue Präsident konzipiert das jährliche Foto der Regierung, die in der Schweiz Bundesrat heißt, und verantwortet die Neujahrsansprache. 2019 etwa präsentierten sich die Regierungsmitglieder auf dem offiziellen Bild im Selfie-Stil. Der verantwortliche Bundespräsident hieß Ueli Maurer, Politiker der rechtskonservativen SVP, und in seiner Ansprache spielte er mit Smartphone und Holzkuh herum, seiner Version von Laptop und Lederhosen. Anfang 2020 posierten die sieben Minister als künstlerisches Ensemble. Hinter der Idee stand die Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga, gelernte Pianistin, die sich für ihre Ansprache dann in eine Bäckerei stellte und über das Glück von frischem Brot sprach.

In diesem Jahr ist der 61-jährige Guy Parmelin dran. Der aus der frankophonen Waadt stammende SVP-Politiker ist eigentlich Winzer, seine Familie bewirtschaftet ein Weingut am Genfersee. In der Landesregierung übernahm er zunächst das Verteidigungsressort, mittlerweile ist er Minister für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Ein bedeutendes Ressort, möchte man meinen, doch auffällig an Parmelin ist vor allem: seine Unauffälligkeit.

Die Corona-Hilfsprogramme gelten als vorbildlich

Das aktuelle Bundesratsfoto geriet entsprechend traditionell (die Regierung vor der Bundeshauskulisse im Abendlicht), und die Ansprache erfolgte klassisch in Parmelins Büro, mit Anzug, ohne Spielzeug. Parmelin gilt als der blasseste unter den sieben Bundesräten, und tatsächlich hatte seine Nominierung zum Regierungsmitglied im Jahr 2015 viel mit Parteitaktik zu tun und weniger mit seiner Person. Mit einem Westschweizer Bundesrat, so hoffte die SVP-Leitung um Christoph Blocher, wollten die Rechtskonservativen endlich auch in der frankophonen Schweiz Fuß fassen. Erfüllt hat sich diese Hoffnung nicht; bei den vergangenen Wahlen 2019 schnitt die SVP in der Romandie schlechter ab als vor Parmelins Wahl.

Auch unabhängig von Parteiüberlegungen fällt Parmelins Bilanz als Regierungsmitglied gemischt aus. Als Verteidigungsminister fällte er einige spektakuläre (und unglückliche) Entscheidungen, und seit er Wirtschaftsminister ist, lassen sich kaum mehr eigene Akzente erkennen. Dabei war 2020 für ihn kein schlechtes Jahr: Die Corona-Hilfsprogramme für die Schweizer Wirtschaft waren ein Erfolg, die unbürokratisch gewährte Hilfe galt auch international als vorbildlich. Doch neben mangelndem politischen Profil sagt man Guy Parmelin eben noch etwas anderes nach: fehlende Eitelkeit. Vielleicht ist der farblose Weinbauer also gar nicht so verkehrt im Bundesrat, einem Gremium, in dem die Beschlüsse prinzipiell kollektiv gefällt werden und wo Profilierungssucht eher als Hindernis gilt.

"I can English understand" hat Parmelin einmal auf die Frage nach seinen Englischkenntnissen geantwortet. Es dürfte ihm gelegen kommen, dass Auslandsreisen in seiner Amtszeit selten sein werden. Dafür muss er zu Hause den richtigen Ton treffen, doch auch da war seine Performance bisher unauffällig.

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