Schweiz:In Schönheit sterben

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Die Misswahlen in der Schweiz waren längst ein Anachronismus. Nun soll ganz Schluss damit sein. Denn die Organisatoren sind pleite.

Von Isabel Pfaff

Was wurde einem nicht alles geboten bei den Miss-Schweiz-Wahlen! Über Jahrzehnte glitzerten da Krönchen, glänzten Schärpen, flossen Tränen übers wasserfeste Make-up - und dazu gab es noch die mehr oder weniger subtile Botschaft, dass es vielleicht ganz nett ist, wenn Frauen Interessantes zu sagen haben, es am Ende aber doch mehr auf Augenaufschlag, Beinlänge und Hüftumfang ankomme.

Ein Anachronismus, möchte man meinen, und doch staksten noch bis 2018 Schweizerinnen im Bikini über den Laufsteg, um den Titel zu erringen. Nun soll aber damit Schluss sein: Die Miss Schweiz Organisation AG, die die eidgenössischen Misswahlen seit 1976 ausrichtet, ist pleite; gegen das Unternehmen läuft ein Konkursverfahren. Das teilte das Schweizerische Handelsamtsblatt vor wenigen Tagen mit.

Ganz überraschend kam die Nachricht allerdings nicht. Schon 2016 und 2017 musste der Schönheitswettbewerb ausfallen, weil Sponsoren fehlten. Das Schweizer Fernsehen hatte sich wegen der schlechten Einschaltquoten bereits 2011 ausgeklinkt. Und als wäre all das nicht schon peinlich genug, endete die bislang letzte Misswahl in einer Schlammschlacht. Die Macher der Show erkannten der Gewinnerin Jastina Doreen Riederer Anfang 2019 den Titel ab. Riederer habe sich nicht an vertragliche Abmachungen gehalten, so die Miss-Schweiz-Organisation, und sei oft über Wochen nicht erreichbar gewesen. Die gestürzte Miss bestreitet die Vorwürfe und konterte im Boulevardblatt Blick: "Ich fühle mich benutzt." Ihr Krönchen habe sie vorsichtshalber bei ihrem Anwalt deponiert, wegen noch ausstehender Lohnzahlungen.

Höchste Zeit, so scheint es, für das Aus des Schweizer Wettbewerbs, dem Beobachter schon länger attestierten, den Sprung in die Gegenwart verpasst zu haben. Tatsächlich konnte, wer bei der letzten Show zugesehen hat, kaum glauben, dass da Jury-Sätze fielen wie "Mit ihrer Laszivität hat sie mich sehr beeindruckt" oder "Die Lippe ist original, da wurde nichts dran gemacht".

Anderswo haben Miss-Wahlen-Veranstalter die Zeichen der Zeit erkannt und Anpassungen vorgenommen, zum Beispiel die Macher des Miss-Germany-Wettbewerbs. Die ließen in diesem Jahr zum ersten Mal auch Mütter, ältere und verheiratete Frauen zu, die Jury war durchweg weiblich, und die jahrzehntelang obligatorische Bikini-Runde entfiel. Man habe das Konzept verändert, heißt es auf der Webseite, "vom klassischen Schönheitswettbewerb zu einer Plattform, die Frauen mit Persönlichkeit und einzigartigen Geschichten eine Bühne bieten möchte". Am Ende ging es natürlich auch bei dieser Misswahl ums Aussehen, aber immerhin ist die amtierende Miss Germany 35 Jahre alt (die älteste Gewinnerin, die es jemals gab) und Mutter eines kleinen Sohnes.

In der Schweiz ist es nun für solche Korrekturen zu spät. Nur auf der Webseite der Veranstalter funkelt zur Begrüßung noch immer das Krönchen, dazu die Aufforderung "Bewirb dich jetzt als Miss Schweiz!". Man müsse dafür lediglich Schweizerin sein, ledig, mindestens 168 cm groß und nicht älter als 27 Jahre. Pflichtangaben außerdem: Oberweiten-, Taillen- und Hüftumfang.

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