Schweiz:Einfach mal aufblasen

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Mehr Mitglieder für die Schweizer Regierung - oder weniger?

Von Isabel Pfaff, Bern

Das muss der Schweiz erst mal einer nachmachen. Seit mehr als 170 Jahren hat die Eidgenossenschaft eine siebenköpfige Regierung, den Bundesrat. Während andere Staaten ihren Apparat gerne mal aufblasen, um verschiedene Parteienansprüche zu befriedigen, ist in der Schweiz seit 1848 sowohl die Zahl der Bundesräte als auch die der Ministerien gleich groß geblieben.

Das hat auch mit dem einzigartigen Regierungssystem der Schweiz zu tun: Der Bundesrat ist als übergroße Koalition konzipiert, also als ein Gremium, in dem alle wichtigen politischen Strömungen vertreten sein sollen. Im 19. Jahrhundert waren das vor allem liberale Politiker, da es kaum andere Parteien gab. Analog zu ihrer wachsenden Bedeutung eroberten später auch Christdemokraten, Sozialdemokraten und die Schweizerische Volkspartei (SVP) Regierungssitze. 1959 erfand die Politik dann die berühmte Zauberformel: Die drei stärksten Parteien erhalten je zwei Sitze, die viertstärkste einen. Macht derzeit also je zwei Bundesräte für die SVP, die Sozialdemokraten und die FDP, und einen für die Christdemokraten.

Doch spätestens seit den Wahlen 2019 haut die Rechnung nicht mehr so richtig hin. Die beiden grünen Parteien der Schweiz legten damals ordentlich zu und überholten zusammengenommen die Christdemokraten. Damit haben mehr als 30 Prozent der Schweizer Wählerinnen und Wähler Parteien ohne Bundesratssitz gewählt und sind entsprechend nicht mehr in der Regierung vertreten. In der eidgenössischen Logik ist das ein Unding. Nur: Will man den Missstand beheben und etwa den Grünen einen Sitz zugestehen, muss eine andere Partei verzichten - und dazu hat sich naturgemäß bisher noch keine bereit erklärt. Hinzu kommt, dass sich die Wähleranteile der meisten Parteien zuletzt noch stärker angenähert haben. Wieso sollte da eine FDP zwei Sitze haben und die Grünen keinen?

Für die Lösung des Problems haben sich nun ein paar Schweizer Politiker Inspiration in anderen Ländern geholt. Ihre Idee: neun statt sieben Bundesräte. Quasi Befriedung per Ämterschaffung. Oder wie es eine Schweizer Zeitung ausdrückte: Gruppenkuscheln unter der Bundeshauskuppel. Der Vorstoß, eingereicht von einer Sozialdemokratin, wurde kürzlich von der Mehrheit des Nationalrats unterstützt. Das heißt allerdings noch nicht viel. Erstens dauert es lange, bis aus einer Motion eine Verfassungsänderung wird. Und zweitens gilt die Debatte als politischer Evergreen: Erste Reformanläufe gab es schon in den 1860er-Jahren, die letzten liegen nur ein paar Jahre zurück. Bislang blieben alle erfolglos.

Trotzdem diskutiert die Schweiz jetzt von Neuem über die Idee. Während die einen sie für richtig halten, weil damit neben den Parteien auch alle Landesteile berücksichtigt werden könnten, warnen andere vor dem Aufblähen des Bundesrats. Und wieder andere schlagen statt der Vergrößerung eine Schrumpfung vor: Fünf statt sieben Bundesräte, argumentiert die NZZ am Sonntag, würden die Regierung schlagkräftiger machen. Womöglich bleibt aber auch alles beim Alten. 170 Jahre wirft man schließlich nicht einfach so über den Haufen.

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