Schweiz: Deutsche Steuersünder:Affront für die Schlaumeier

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Mit dem Ankauf der Steuerhinterzieher-Datei stößt Deutschland die Schweizer vor den Kopf. Die Antworten der Berner Regierung dürften erst mal trotzig ausfallen - auch wenn das Land mit dem Rücken zur Wand steht.

Thomas Kirchner

Finanzminister Wolfgang Schäuble gilt als besonderer Freund der Schweiz. Dort macht er Urlaub, und als Badener ist ihm das Land vertraut.

Jenseits der Idylle: Die Schweiz befindet sich in einem schmerzhaften Ablösungsprozess. (Foto: Foto: dpa)

Das unterscheidet ihn von seinem norddeutschen Vorgänger Peer Steinbrück. Der wollte den widerspenstigen Eidgenossen die Kavallerie auf den Hals hetzen und hätte wie im Fall Liechtenstein wohl auch diesmal wieder ohne größere Skrupel auf die dargebotenen Steuersünder-Daten zugegriffen.

Schäuble hingegen hat sich vermutlich schwerer mit der Entscheidung getan. Das Dilemma ist offensichtlich: Einerseits setzt der Staat ein falsches Signal, wenn er sich als Weiterverwerter von illegal erworbenen Daten betätigt, andererseits ist die Steuergerechtigkeit ein hochgeschätztes Gut.

In der Identitätskrise

Aber da ist noch mehr, was Schäuble vielleicht ins Grübeln gebracht hat: die Befindlichkeit der Schweiz nämlich, die Konstitution eines Landes immerhin, das Deutschland sprachlich und kulturell sehr nahe steht. Darauf Rücksicht zu nehmen, wäre im Sinne guter Nachbarschaft gewesen.

Die Schweiz steckt seit langem in einer Identitätskrise. Ihr Selbstbild als fleißiges, neutrales Land, das nur Gutes tut und sich aus allen Händeln heraushält, erhielt schon Ende der achtziger Jahre den ersten Knacks mit der Affäre um nachrichtenlose Konten jüdischer NS-Opfer. Auch die Schweiz, so die Lehre daraus, hatte im Zweiten Weltkrieg Schuld auf sich geladen.

2001 machte der Niedergang der stolzen Swissair den Filz in der Schweizer Wirtschaft und die Fehlbarkeit ihrer Manager offenbar. Und nun der Streit ums Bankgeheimnis, ein hässlicher, mit hartem Einsatz geführter Steuerkrieg gegen den Rest der Welt.

Dass sie ihren schönen Wettbewerbsvorteil nicht ewig behalten würden, hatte den Schweizern schon lange geschwant. Aber sie wollten ihn so lange wie möglich verteidigen.

Also verklärten sie das Bankgeheimnis zum helvetischen Kulturgut: Nur in der Schweiz werde die "Privatsphäre" noch richtig geschützt. Durch Schlaumeier-Abkommen mit der EU und mit den USA versuchte sich Bern über die Zeit zu retten.

Mit dem Rücken zur Wand

Das Ende kam schneller als gedacht, und es wurde der Schweiz aufgezwungen: von der US-Justiz, von den großen Industriestaaten, zuletzt von der eigenen Gerichtsbarkeit.

Nun steht das Land mit dem Rücken zur Wand, eigentlich hat es schon kapituliert. In all den neuen bilateralen Abkommen, die unter Druck der OECD jüngst abgeschlossen wurden, sagt Bern zu, ausländischen Behörden bei der Jagd nach Schwarzgeld zu helfen, und zwar auch, wenn es sich "nur" um Steuerhinterziehung handelt. Auch mit Deutschland laufen entsprechende Verhandlungen. Allein Fischzügen ohne konkreten Verdacht verweigert sich die Schweiz weiterhin, aber hier wird sie sich bewegen müssen.

Längst hat in der Schweiz eine intensive Debatte eingesetzt über den Schaden, den das Bankgeheimnis angerichtet hat. Zwar gibt es noch beinharte Verteidiger, im konservativen Lager und bei den Banken. Doch nicht nur auf der Linken, sondern gerade auch unter bürgerlichen Politikern werden die Forderungen immer lauter, sich selbst im Inland vollständig vom Bankgeheimnis zu verabschieden.

Dazu passt, dass endlich nach der Verantwortung jener Banker gefragt wird, die ausländische Steuerhinterzieher zum Rechtsbruch animierten. Nur die Berner Regierung hat die Zeichen der Zeit noch nicht verstanden. Sie verschanzt sich in Rückzugsgefechten, statt das Parlament zur Rechtsänderung zu drängen.

Unsere Nachbarn befinden sich mitten in einem schmerzhaften Ablösungsprozess, der noch eine Weile dauern wird. Es wäre politisch klug gewesen, sie in dieser Situation nicht zusätzlich zu demütigen.

Denn so wird die Nutzung der Daten in der Schweiz verstanden werden: als Affront - und noch dazu aus Deutschland. Die Antworten dürften erst mal trotzig ausfallen.

© SZ vom 2.2.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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