Bundesratswahl in Bern:Wer bald in der Schweiz mitregieren könnte

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Spannung im Bundeshaus, dem Regierungssitz in Bern. (Foto: Anthony Anex/dpa)

Zwei Sitze im siebenköpfigen Schweizer Bundesrat müssen neu besetzt werden. Am Mittwoch hat das Parlament die Wahl: Wer von den vier Kandidatinnen und Kandidaten schafft es in die Regierung?

Von Isabel Pfaff, Bern

Die Schweiz gilt als politischer Sonderfall. Nicht nur wegen der umfassenden Mitwirkungsrechte der Bevölkerung, sondern auch wegen ihres einzigartigen Regierungssystems. Seit mehr als 170 Jahren lenkt der Bundesrat die Geschicke des Landes, ein Gremium aus stets sieben gleichberechtigten Mitgliedern. Darin sollen alle wichtigen politischen Kräfte des Landes vertreten sein, er ist so etwas wie eine All-Parteien-Regierung. Die teils heftige Dynamik aus Regierung und Opposition gibt es in der Schweiz so nicht. Doch auch in Bern kann es manchmal zur Sache gehen. In wenigen Tagen wird es wieder so weit sein.

Am Mittwoch wird das Parlament zwei der sieben Bundesratssitze neu besetzen. Denn mit Finanzminister Ueli Maurer von der rechtskonservativen SVP und Simonetta Sommaruga, sozialdemokratische Umwelt- und Energieministerin, haben zuletzt zwei Minister ihren Rücktritt angekündigt. Eine weitere Besonderheit der politischen Schweiz: Bundesratsmitglieder entscheiden in der Regel selbst, wann sie aufhören. Zwar wird der Bundesrat genau wie das Parlament alle vier Jahre neu gewählt. Doch es gilt die ungeschriebene Regel, dass amtierende Minister, die weitermachen wollen, wiedergewählt werden. Im Durchschnitt bleiben Bundesräte etwa zehn Jahre im Amt, einige kamen auf um die 15 - und ein paar brachten es sogar auf rund 30.

Bekommt die Schweiz ihren ersten offen homosexuell lebenden Bundesrat?

Wer am Mittwoch in den Bundesrat gewählt wird, ist deshalb nicht egal. Die beiden Neuen werden das Land unter Umständen sehr lange regieren. Hinzu kommt, dass die fixe Zahl der Sitze bedeutet, dass Schweizer Ministerinnen und Minister riesige Ressorts zu verantworten haben. Auf ihnen lastet also vergleichsweise große Verantwortung.

Wer schafft es also in dieses doch eher komplizierte Amt? Fest steht für das Parlament schon mal: Die beiden Sitze sollen wieder an die zwei Parteien gehen, die sie schon vorher innehatten. Was fast ein bisschen undemokratisch klingt, entspricht der Logik des Schweizer Systems. Wenn die wichtigsten Parteien gemäß ihrer Wählerstärke im Bundesrat vertreten sein sollen, muss ein SVP-Minister auch durch einem SVP-Minister ersetzt werden, sonst stimmt das Verhältnis nicht mehr. Veränderungen ergeben sich nur dann, wenn sich die Wählervorlieben deutlich verändern - wie etwa bei der SVP, die in den Neunzigern zur dominanten Partei aufstieg und deshalb heute zwei statt einen Sitz besetzt.

Um diesen zweiten SVP-Sitz bewerben sich jetzt der Berner Albert Rösti und der Zürcher Hans-Ueli Vogt.

Vier Kandidaten stehen zur Auswahl

Albert Rösti, 55 Jahre alt, ist in der bundesschweizerischen Politik kein Unbekannter. Der promovierte Agronom ist seit elf Jahren Mitglied des Nationalrats, der großen Kammer des Parlaments; von 2016 bis 2020 war er Präsident seiner Partei. Rösti gilt in erster Linie als ausgesprochen umgänglicher Politiker und erst in zweiter als harter Vertreter der SVP-Linie. Das hat ihm als Parteipräsident eher geschadet, jetzt kommt Rösti sein Ruf des ewig Netten entgegen: Im Bundesrat schätzt man Brückenbauer und nicht Egopolitiker. Von Anfang an wurde er als Favorit im Rennen um Ueli Maurers Sitz gehandelt. Inzwischen sind die Lobeshymnen quer durch alle Lager etwas leiser geworden, Rösti hat nämlich auffallend viele Verbandsmandate, insbesondere in der Öl- und Auto-Lobby. Solche bezahlten Posten sind bei Politikern in Bern zwar nicht ungewöhnlich. Für die linken Parteien, deren Stimmen Rösti ja auch braucht, sind sie ein Minuspunkt.

Hans-Ueli Vogt, Jura-Professor an der Uni Zürich, geht als Außenseiter in die Wahl am 7. Dezember. Zwar saß der 53-jährige Wirtschaftsrechtler auch sechs Jahre lang für die SVP im Nationalrat. Er war zudem der Kopf hinter der "Selbstbestimmungsinitiative" im Jahr 2018, jenem Versuch der SVP, Schweizer Recht übers Völkerrecht zu stellen (der letztlich scheiterte). Trotzdem ist er in Bern längst nicht so gut vernetzt wie sein Konkurrent Rösti. Seine Kandidatur löste auch deshalb Verwunderung aus, weil er sich vor einem Jahr aus dem Nationalrat zurückzog - mit dem Argument, er habe sich dort fehl am Platz gefühlt. Nun also womöglich die Rückkehr in die Politik. Und weil Albert Rösti zuletzt den Ausstieg vom Atomausstieg der Schweiz zum Thema machte und sich damit bei den Linken noch unbeliebter machte, hat Vogt sogar eine echte Chance. Er wäre der erste offen homosexuell lebende Bundesrat der Schweiz.

Bei der SP stehen zwei Frauen zur Wahl, ganz wie es sich die Parteileitung gewünscht hatte: die Baslerin Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider aus dem Kanton Jura.

Die 60-jährige Eva Herzog ist seit 2019 Ständerätin, sie vertritt also ihren Kanton Basel-Stadt in der kleinen Kammer des Parlaments. Zuvor war sie fast 15 Jahre Teil der Basler Regierung und leitete dort das Finanzressort. Herzog ist der Rösti der SP: Sie gilt bei dieser Wahl als Favoritin, ist eine bekannte Politikerin, zudem mit Regierungserfahrung auf kantonaler Ebene. Ein weiterer Pluspunkt: Sie zählt eher zum rechten Flügel der Sozialdemokraten, hat also gute Chancen, auch von den bürgerlichen Parteien gewählt zu werden. Was Herzog wiederum Stimmen aus dem links-grünen Lager kosten könnte: Dort hat man nicht vergessen, wie sehr sie sich vor ein paar Jahren für steuerliche Vorteile von Großkonzernen einsetzte. Davon hat Basel eben ein paar - aber bei Linken machte Herzog sich damit keine Freunde.

Diese dürften Elisabeth Baume-Schneider bevorzugen, 58 Jahre alt und wie Herzog seit 2019 im Ständerat. Baume-Schneider kommt aus dem Jura, und das ist vielleicht das Wichtigste an ihr: Noch nie kam ein Bundesratsmitglied aus diesem frankophonen Kanton, der erst 1979 entstand und zu den ärmsten des Landes zählt. Baume-Schneider möchte als "Vertreterin der Peripherie" gesehen werden und jenen Schweizern eine Stimme in der Regierung geben, die oft überhört werden. Anfangs galt sie als die schwächere unter den zwei SP-Kandidatinnen, zuletzt konnte sie aber mit ihrer frischen, offenen Art Punkte sammeln. Doch die Jurassierin hat ein Problem: Würde sie gewählt, gäbe es eine lateinische Mehrheit im Bundesrat, also mehr Französisch- und Italienischsprachige als Deutschschweizer, obwohl diese mehr als 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Es kann am Ende also auch auf Details wie die Muttersprache ankommen.

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