Schwarz-Grün:Im Geröllfeld

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Beim Klimapaket haben CDU, CSU und Grüne bewiesen, dass eine Annäherung möglich ist. Doch wenn es wirklich zu einer Regierungskoalition im Bund kommen soll, sind noch viele Konflikte auszufechten.

Von Constanze von Bullion

Entschlossen im Kampf, aber großmütig im Sieg - diesen Sinnspruch frei nach Winston Churchill sollten die Grünen sich jetzt übers Bett nageln, gern in Schnörkelschrift und gestickt. Denn seit der Einigung zum Klimapaket ist die Partei obenauf. Die Grünen haben Union und SPD in der Länderkammer vor sich hergetrieben. Sie haben die Koalition in der Klimapolitik unter Zugzwang gesetzt. Zur Rettung des Planeten mag das Ergebnis nicht reichen. Aber es reicht, um allen klarzumachen: Die kleinste Bundestagspartei, die demnächst in elf Landesregierungen sitzen wird, regiert Deutschland schon mit. Anlass zu Triumphgeheul allerdings ist das nicht.

Denn im Klimapaket stecken mehr Kröten, als Umweltfreunden lieb sein kann. Auf Wunsch der Union bleibt es bei der Erhöhung der Pendlerpauschale. Sie steigt, wenn der Wagen schön weit rollt, es profitieren vor allem Gutverdiener in wohlhabenden Flächenländern wie Bayern. Die SPD wiederum rühmt sich, ins Klimapaket den Faktor Gerechtigkeit hineinverhandelt zu haben. Klimaschädliche Produkte sollen teurer werden, der Strompreis beim Verbraucher aber sinken. Einen ähnlichen sozialen Ausgleich hatten zuvor zwar schon die Grünen vorgeschlagen, aber geschenkt. Jetzt präsentieren sich alle Beteiligten als Gewinner.

Grund zur Freude haben allerdings vor allem die Grünen. Sollten sie nach der nächsten Bundestagswahl Koalitionsverhandlungen führen, sichert der jetzt erzielte Kompromiss ihnen eine bessere Startposition als bisher. Statt von zehn Euro Einstiegspreis für jede Tonne CO₂ könnte dann von 25 Euro hochverhandelt werden. Ein Bündnis mit den Grünen dürfte also teurer werden, für die anderen.

Wie sehr sich die politischen Kräfte verschieben, zeigt aber auch die fast schon gönnerhafte Art, in der die Grünen neuerdings die Konkurrenz schonen, besonders die SPD. Im November noch schimpfte Grünenchefin Annalena Baerbock wie eine Spottdrossel, weil die Sozialdemokratie beim Klimaschutz bremste. Dann wechselte die SPD mit der Parteispitze den Kurs und kam den Grünen klimatisch entgegen. Statt über diesen Schwenk zu frohlocken, übten die Grünen sich plötzlich in nie gekannter Höflichkeit. Jeder Gesichtsverlust der SPD sollte nun vermieden werden. So viel Nachsicht kann nur eine Partei üben, die an der anderen - gefühlt - schon vorbeigezogen ist.

Großmut im Sieg ist klug, aber auch die Schwester der Überheblichkeit. Die Grünen behandeln ihre Mutterpartei SPD bisweilen wie eine Greisin, die nicht mehr lang zu leben hat. Härten erspart man ihr lieber. Wird die SPD aber nicht mehr für voll genommen, steuern die Grünen auf ein Bündnis mit CDU und CSU zu. Spätestens hier ist dann Schluss mit lustig. Das Klimapaket zeigt, dass eine schwarz-grüne Annäherung möglich ist, länderübergreifend. Aber es verstellt den Blick auf das Geröll dahinter. Schwarz und Grün trennt vieles, die Migrationspolitik etwa. In der CDU gleicht sie einem ungeräumten Minenfeld. Aber auch die Grünen haben das Thema zuletzt gemieden, der ostdeutschen Wahlen wegen. Ähnlich kontrovers ist der Umgang mit Rechtsextremisten, mit Menschenrechten, China, der Gleichstellung der Frau. Die schwarz-grünen Konflikte gehen tief. Nur wenn sie rechtzeitig ausgetragen werden, wird aus grüner Stärke auch stabile Regierungsmacht. Gewonnen ist noch lange nichts. Das Kräftemessen hat erst begonnen.

© SZ vom 19.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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