Schwarz-Gelb und Rot-Grün:Warum Wähler und Parteien im Lagerdenken verharren

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Lagerwahlkampf: eine makabre Bezeichnung für eine Praxis, die kaum mehr sinnvoll erscheint. Denn die fundamentalen Unterschiede zwischen den großen Parteien sind so gut wie verschwunden. Trotzdem bleiben die Paarungen Rot-Grün und Schwarz-Gelb bestehen - manchmal auf allzu verbissene Weise.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Der Lagerwahlkampf ist ein Wahlkampf, den es eigentlich nicht mehr gibt, der sich aber trotzdem abzeichnet. Die Wähler haben Sehnsucht nach Unterscheidbarkeit der Parteien.

Lagerwahlkampf: Das Wort kommt soeben wieder in Mode. Es ist ein ungutes Wort, auch wenn es von Heiner Geißler stammt. Der hat es vor dreißig Jahren erfunden, als er CDU-Generalsekretär und die Welt in Ost und West geteilt war. Damals nannte er CDU/CSU und FDP das "bürgerliche Lager", SPD und Grüne das "linke Lager". Er hätte besser eine andere Bezeichnung gefunden, weil das Wort Lager, wenn man nicht an Lagerhaus und Lagerfeuer denkt, makaber ist.

Unterschiede zwischen Parteien verschwinden

Aber das, was Geißler damals bezeichnen wollte, existierte in der Tat: Es gab konträre Positionen in allen Grundfragen der Politik: Außen-, Wirtschafts-, Energie- und Ausländerpolitik. Hinter diesen Aussagen, pro oder contra Nato, AKWs etc., scharten sich die Anhänger der jeweiligen Parteien. Das ist heute anders. Das Reden von den angeblich "bürgerlichen" Parteien im Gegensatz zu den "linken" ist altbacken, ja lächerlich geworden. Bürger sind alle, auch diejenigen, die Linkspartei wählen.

Und vor allem: Die fundamentalen Unterschiede zwischen den Parteien (die Linke ausgenommen) sind verschwunden oder gemindert - auf Bundesebene jedenfalls. Wahrscheinlich gibt es, trotz des Boheis, der um die Rentenpolitik gemacht wird, nur tausend Leute in Deutschland, die hier die Differenzen zwischen Union und SPD buchstabieren können. Bei anderen Fragen ist es ähnlich. Und dort, wo es die Unterschiede gibt (beim Mindestlohn), versucht sie die Kanzlerin zu verwischen. In Niedersachsen hat das mit dem Verwischen nicht geklappt - auch darum hat die CDU verloren. Bei Streitthemen wie Studiengebühren, Atommüll und Tierschutz hatte die Landes-CDU sich unklug verpanzert.

Vages Grundgefühl statt scharf getrennter Programmatik

Politische Blöcke mit scharf getrennter Programmatik gibt es nicht mehr. Es gibt sie kraft ständiger Übung und, das entwickelt sich gerade wieder neu, kraft eines vagen politischen Grundgefühls. Sowohl Schwarz-Gelb als auch Rot-Grün sind heute erst einmal Exempel für Paarungen kraft ständiger Übung, die im Fall Schwarz-Gelb ein verbissenes Stadium erreicht hat: Die CDU verliert eine Landesregierung um die andere, weil sie sich so auf die FDP fixiert hat; die Alt-Konservativen in der CDU haben zwar keine Gestaltungskraft mehr, hatten aber (in Baden-Württemberg zum Beispiel, wo Teufel und Oettinger mit Grün koaliert hätten) Verhinderungskraft.

Vielleicht gibt es so etwas wie eine Seele der Parteien. In dem Maß, in dem die Gerechtigkeitsfrage wichtiger wird und es darum geht, ob und wie Reichtum verteilt wird, suchen sich die politischen Grundgefühle der Wähler eine Heimat: mangels anderen Angebots vorerst bei Schwarz-Gelb oder Rot-Grün. Dies sind derzeit Entscheidungen kraft gefühlter Nähe (die im Fall SPD durch Steinbrück irritiert wurden). Ob dann die bisherigen Paarungen halten, wird davon abhängen, wie die Parteien die Gefühle programmatisch bedienen.

© SZ vom 23.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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