Schulen:Biologie und Smartphonologie

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In vielen Schulen ist es bisher verboten, Mobiltelefone auch nur dabeizuhaben. Künftig werden sie vielleicht sogar Unterrichtsgegenstand. Wird aber auch Zeit.

Von Ulrike Heidenreich

Die Strafe ist drakonisch. Schüler, die in der Schule verbotenerweise das Handy einschalten und heimlich aufs Display linsen, müssen mit dem Schlimmsten rechnen: dem Entzug ihres allerwertvollsten Objekts. Lieber nehmen sie einen Verweis in Kauf, als das Gerät einen Tag später im Direktorat abzuholen zu müssen - unter strafenden Blicken des Lehrpersonals.

Und dann spricht sich ausgerechnet die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Claudia Bogedan, für eine Nutzung privater Smartphones im Unterricht aus? Wie geht das zusammen? Es geht. Es ist ein Weg aus der Kreidezeit an den Schulen. Das Handyverbot dort ist nicht zeitgemäß, nicht zukunftsorientiert.

Bogedan, die Bremer Bildungssenatorin, geht die Sache pragmatisch an. Wenn schon fast alle Jugendlichen ein Smartphone besitzen, warum soll dies dann nicht in der Schule eingesetzt werden? Sinnvoll, pädagogisch, praktisch. Die neue Digitalstrategie der Kultusministerkonferenz sieht vor, dass Medien und deren Nutzung in allen Schulfächern eine Rolle spielen müssen. Smartphones werden jetzt ausdrücklich dabei berücksichtigt. Bislang dürfen 84 Prozent der Schüler zwischen 14 und 19 Jahren ihr Handy im Unterricht nicht nutzen. Fast jeder fünfte Schüler berichtet laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom von einem generellen Verbot auf dem Schulgelände. Damit wurde ein künstliches Paralleluniversum geschaffen, zwar aus pädagogischer Verantwortung heraus - aber auch aus Hilflosigkeit.

Wie geht man mit Shitstorms um? Das muss unterrichtet werden

Natürlich haben die Macher von Lehrplänen mitbekommen, wie schnell die Schüler im Alltag in einer neuen Welt heimisch geworden sind. Der Unterricht hält mit der Veränderung jedoch noch nicht Schritt - so müssen die Lehrer ihre Schüler zwangsläufig alleine lassen in diesem verwirrenden, verführerischen, gefährlichen Mediennetz. Konkrete Anleitungen, wie man Shitstorms oder rassistische Postings übersteht, bleiben aus. Die adäquate Ausstattung mit Tablets oder PCs kann sich kein Bundesland leisten. Jede dritte Schulstunde, die auf digitale Technik angewiesen ist, fällt aus - weil die Geräte kaputt sind. Da bietet es sich geradezu an, Ressourcen zu nutzen, die funktionieren; also die Geräte der Schüler.

All dies sollte geschehen, indem man auf die Chancen blickt. Schon jetzt ist es so, dass laut medienpädagogischen Studien etwa die Hälfte der Jugendlichen ihr Smartphone für die Schule sinnvoll nutzt: um im Chat herauszubekommen, welche Hausaufgaben in Biologie anstehen oder zur Recherche für Referate in Deutsch. Denn in welchem Haushalt stehen noch meterlange Enzyklopädien im Regal? Und zugleich hat nicht jede Familie die Mittel, das Kind mit einem Smartphone auszustatten. Hier sind Förderprogramme nötig; auch diese müssen die Kultusminister entwickeln.

Dass Bildung nicht mit Lieferung des Mobilgeräts abgeschlossen ist, sollte ebenso selbstverständlich sein. Es sind Eltern wie Lehrer, die nun den Jugendlichen den guten Umgang damit beibringen müssen.

© SZ vom 09.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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