Schottland:Weit weg von Kuwait

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Öl-Plattform in der Nordsee vor Schottland: Aktien von Branchenkonzernen wie BP und Total gehören zu den Gewinnern des bisherigen Börsenjahres. (Foto: Andy Buchanan/Reuters)

Schottischen Nationalisten wird es schwer fallen, für die Unabhängigkeit von Großbritannien zu werben. Vor allem der Ölpreis dürfte Einfluss auf ein Referendum haben.

Von Björn Finke, London

Alex Salmond trug zu seinem Nadelstreifen-Anzug eine Krawatte mit einem schreiend bunten Tartan-Muster. Solche Muster sind vor allem bekannt von Schottenröcken. Das passt, Salmond war ja lange Chef der Regionalregierung in Edinburgh und der SNP, der Partei der schottischen Nationalisten. Am Donnerstag erläuterte der Abgeordnete Journalisten, wieso die 5,3 Millionen Schotten unbedingt schon wieder über ihre Unabhängigkeit abstimmen sollten. Seine Nachfolgerin an der Spitze von SNP und Regionalregierung, Nicola Sturgeon, hat so ein Referendum für Herbst 2018 oder Frühjahr 2019 angekündigt, jedenfalls noch vor dem Austritt des Königreichs aus der EU.

Dabei hatten die Schotten erst 2014 über ihre Loslösung von Großbritannien abgestimmt, und 55 Prozent waren für den Verbleib. Damals hieß es, die Frage habe sich nun für mindestens eine Generation erledigt. Doch Sturgeon nimmt den harten Brexit-Kurs von Premierministerin Theresa May zum Anlass, einen neuen Anlauf zu verlangen. 62 Prozent der Schotten sprachen sich im EU-Referendum gegen den Brexit aus. "Die große Mehrheit für den Verbleib in der EU muss respektiert werden", sagte Salmond. Sturgeon forderte von May zunächst, dass Schottland nach dem EU-Austritt Großbritanniens irgendwie Teil des Binnenmarktes bleiben kann. Die Konservative lehnte ab. Jetzt sollen die Schotten in 18 bis 24 Monaten die Wahl haben, als Teil Großbritanniens die EU zu verlassen oder sich lieber abzuspalten.

Allerdings dürfte es Sturgeon und Salmond nicht leicht fallen, unentschlossene Wähler von den Segnungen der Unabhängigkeit zu überzeugen. Das hängt mit dem Ölpreis zusammen - und mit Mays hartem Brexit-Kurs. Vor dem Referendum 2014 argumentierten die Nationalisten, dass eine Loslösung Geschäfte schottischer Firmen in England oder Reisen in den Süden der Insel nicht erschweren würde. Schließlich würden Schottland und der verbleibende Rest Großbritanniens EU-Partner sein. Doch nach Mays Plänen ist Großbritannien von 2019 an weder Mitglied der EU noch von Binnenmarkt oder Zollunion.

Zugleich strebt die SNP an, dass ein unabhängiges Schottland in der EU verbleibt oder - wenn das nicht möglich ist - zumindest rasch wieder Mitglied wird. Übergangsweise könnte Schottland dem Beispiel Norwegens folgen und als Nicht-Mitglied der EU am Binnenmarkt teilnehmen. Dann aber würde zwischen Schottland und England die Grenze des Binnenmarktes verlaufen. Schottland müsste wie Norwegen EU-Migranten akzeptieren, während Großbritannien Einwanderung schärfer kontrollieren will. Salmond verspricht, dass trotzdem keine Grenzkontrollen nötig wären. Fraglich ist, ob unentschlossene schottische Wähler sein Zutrauen teilen.

Für Schottlands Wirtschaft wäre es ein Desaster, wenn Geschäfte mit England mühsamer würden. Nach dem Brexit könnte London Standards für Produkte ändern, Schottland hingegen wäre an EU-Vorgaben gebunden. Im schlimmsten Fall würden sogar Zölle für den Handel zwischen dem Königreich und der EU eingeführt. Ein unabhängiges Schottland wäre besonders betroffen: Fast zwei Drittel der schottischen Exporte gehen in den Süden der Insel. Auf andere EU-Staaten entfallen nur 16 Prozent der Ausfuhren.

Der andere große Unterschied im Vergleich zum Referendum 2014 ist die Höhe des Ölpreises. Damals notierte der Rohstoff bei mehr als 100 Dollar pro Fass, heute sind es gut 50 Dollar. Die SNP behauptete vor der Abstimmung, dass der neue Staat Zugriff auf 91 Prozent der britischen Öl- und Gasreserven in der Nordsee haben werde. Die Milliarden aus dem Energiegeschäft sollten den Haushalt sanieren. Das Land sollte eine Art Kuwait werden. Seit dem Absturz des Ölpreises klingt dieses Versprechen hohl. Das schottische Parlament soll kommende Woche Sturgeons Antrag zustimmen, ein neues Referendum abzuhalten. Danach muss die Politikerin mit Premier May darüber verhandeln. Der BBC sagte May am Donnerstag, dass "jetzt nicht der richtige Moment" für ein Referendum sei. "Gerade jetzt sollten wir zusammenarbeiten, nicht auseinanderdriften." Dass May den Willen des Regionalparlaments einfach ignoriert, gilt als unwahrscheinlich. Allerdings wird sie wohl darauf bestehen, dass die Volksabstimmung später stattfindet, nach Vollzug des EU-Austritts 2019. Die beiden mächtigen Frauen stehen vor einem langen, heftigen Streit.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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