Schottland:Rückzug zum letzten Kampf

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Alex Salmond, 63, war von 2007 bis 2014 Chef der schottischen Regionalregierung. Bis 2014 führte der Politiker auch die Partei der schottischen Separatisten, SNP. Er trat nach dem verlorenen Unabhängigkeitsreferendum ab. (Foto: Jane Barlow/AP)

Alex Salmond, Ex-Chef der Regierung, verteidigt sich gegen Vorwürfe, er habe Frauen sexuell belästigt. Nun verlässt er die Separatistenpartei SNP.

Von Björn Finke, London

Er verlässt die Liebe seines Lebens: Alex Salmond, bis 2014 Chef der schottischen Regionalregierung und der Separatistenpartei SNP, tritt aus eben dieser Scottish National Party aus. Grund sind Vorwürfe, er habe als Regierungschef zwei Mitarbeiterinnen sexuell belästigt. "Ich liebe die SNP und die Unabhängigkeitsbewegung in Schottland. Sich für sie zu engagieren, hat mein Leben bestimmt", schrieb er in einer Mitteilung. Aber er wolle der Opposition keine Munition liefern und Streit innerhalb seiner Partei vermeiden. Seien die "offenkundig lächerlichen" Anschuldigungen ausgeräumt, trete er wieder ein, verspricht der 63-Jährige.

Nicola Sturgeon, Salmonds Nachfolgerin als Regierungschefin in Edinburgh und als Parteivorsitzende, sagt, die ganze Situation sei "sehr traurig" für sie. Sturgeon und Salmond sind langjährige Vertraute. Oppositionspolitiker im schottischen Regionalparlament forderten, dass die Parteivorsitzende Salmond ausschließt. Sturgeon lehnte das ab, versprach jedoch, dass nichts "unter den Teppich gekehrt" werde. Die Regierung nehme die Vorwürfe ernst, das Verfahren dauere an.

"Ich bin kein Heiliger, ich habe Fehler, aber ich habe niemanden sexuell belästigt."

Vorige Woche hatte eine schottische Boulevardzeitung enthüllt, dass zwei Frauen im Januar Beschwerden gegen Salmond eingereicht hatten. Die Regionalregierung hatte kurz zuvor ein neues Verfahren etabliert, um Opfern solche Beschwerden einfacher zu machen. Im vergangenen Jahr hatten Fälle sexueller Belästigung durch Politiker viele Schlagzeilen im Königreich produziert; der britische Verteidigungsminister Michael Fallon trat deswegen im November zurück.

Der Zeitung Daily Record zufolge geht es bei einem der zwei Vorwürfe gegen Salmond darum, dass er Anfang Dezember 2013 in der Residenz des Regierungschefs in Edinburgh die Brüste und das Gesäß einer Angestellten berührt habe. Die Anschuldigungen der anderen Frau sind nicht bekannt. Die zuständige Regierungsbehörde begann Untersuchungen und informierte zugleich die Polizei, die nun ebenfalls ermittelt. Salmond beteuert seine Unschuld: "Ich bin kein Heiliger, ich habe Fehler, aber ich habe niemanden sexuell belästigt und mich mit Sicherheit nicht strafbar verhalten."

Der verheiratete Ex-Politiker klagt, das Verfahren der Regierung sei "unfair und ungerecht". Er habe die Beschwerden nicht sehen dürfen, und jemand in der Behörde habe gegen das Gebot der Vertraulichkeit verstoßen, indem er Details an die Zeitung weitergegeben habe. Die Regierung bestreitet das. Salmond hat darum Klage gegen das Untersuchungsverfahren eingereicht.

Ein früherer Regierungschef geht vor Gericht gegen die eigene Regierung vor, an deren Spitze seine enge Vertraute steht - eine weitere überraschende Volte im Leben des Alexander Salmond. Ähnlich überraschend wie seine Entscheidung, im englischsprachigen Programm des russischen Staatssenders RT eine Talkshow zu moderieren. "The Alex Salmond Show" wird seit November jeden Donnerstag ausgestrahlt. Für dieses Engagement wird der Politiker im Unruhestand heftig kritisiert, sogar von seiner treuen Mitstreiterin Sturgeon.

Salmond leitete von 2007 bis 2014 als First Minister of Scotland die Regionalregierung. Er trat zurück, nachdem sich die Mehrheit der Schotten im Unabhängigkeitsreferendum für den Verbleib im Königreich ausgesprochen hatte. Das Ergebnis war allerdings überraschend knapp, was für Salmonds Fähigkeiten als Wahlkämpfer spricht. 2015 zog er ins britische Parlament ein, verlor den Sitz jedoch zwei Jahre später gegen einen konservativen Kandidaten. Jetzt muss der politische Rentner nicht um Stimmen, sondern um seinen Ruf kämpfen.

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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