Olaf Scholz:Der Realo braucht einen neuen Plan

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Scholz bei einer Sitzung des SPD-Vorstands. (Foto: dpa)

Olaf Scholz ist keiner, der nach einer Niederlage hinwirft. Doch angesichts der Forderungen des neuen SPD-Spitzenduos muss er sich nun überlegen, wie es weitergeht.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Es ist gewiss vermessen, Olaf Scholz mit Egon Olsen zu vergleichen, dem perfektionistischen Helden der dänischen Kultfilmreihe "Die Olsenbande". Olsen, Oberhaupt einer ärmlichen Familie, will diese immer wieder mit den Worten "Ich habe einen Plan" überzeugen, seinen Ideen zu folgen und wohlhabend zu werden. Was Scholz mit Olsen verbindet, ist nicht nur regionale Nähe. Sondern auch, dass auch Scholz so einen Plan hatte, penibel durchdacht, detailliert durchgerechnet. Und: dass er am Ende nicht funktionierte.

Die sozialdemokratische Realität nach dem Scheitern des Plans von Scholz ist freilich eine sehr ernste. Der Vizekanzler und Finanzminister von der SPD hatte sich nach anfänglichem Zögern über sein vorsichtiges Naturell hinweggesetzt und einen Ausflug auf ein unbekanntes Terrain namens SPD-Basis gewagt. Er startete die Expedition an die Parteispitze, weil er sich als ranghöchstes Regierungsmitglied der SPD in der Pflicht sah. Und es sich wohl nie verziehen hätte, es nicht versucht zu haben. Doch er musste erfahren, dass die Genossen, die seine Bewerbung als Parteichef der SPD unterstützen wollten, in der Minderheit waren.

Auch der Plan, den Scholz in der Tasche hatte, als er vor knapp zwei Jahren Vizekanzler wurde, ist gescheitert. Der 61 Jahre alte Realpolitiker wollte mit der damaligen Parteichefin Andrea Nahles die Sozialdemokraten beharrlich mittels vieler kleiner Kompromisse zu alter Stärke führen. Auf halber Strecke kam ihm Nahles abhanden. Scholz machte weiter und kämpfte am Ende sogar richtig. Aber er gewann nicht. War es das jetzt für ihn? Oder gibt es eine zweite Chance nach der Niederlage; einen neuen Plan in der neuen Realität?

Die Olsenbande hatte immer einen Plan. Bei der SPD ist das noch nicht klar

Krachende Niederlagen müssen in der Sozialdemokratie nicht unbedingt mit dem politische Aus verbunden sein. Ja, Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel haben sich nach verlorenen Schlachten ganz zurückgezogen. Frank-Walter Steinmeier ist trotz der verlorenen Bundestagswahl später Bundespräsident geworden.

Und Olaf Scholz? Ähnlich wie der Held der dänischen Kultfilmreihe ist er keiner, der mal eben die Brocken hinschmeißt. Allerdings befindet er sich nun in einer Lage, die seinem Naturell grundsätzlich widerspricht. Er muss abwarten. Der an diesem Freitag beginnende SPD-Parteitag wird auch darüber befinden, ob und welche Rolle Scholz an der Spitze der Sozialdemokratie noch spielen kann - und damit in der großen Koalition. Scholz bleibt nur zu entscheiden, ob er bereit sein wird, sich in die Position zu fügen, die ihm die neuen SPD-Chefs zubilligen.

Diese Aussicht ist nicht eben rosig. Es ist ja so, dass die sozialdemokratischen Minister in der Koalition die Beschlüsse ihrer Partei zu vertreten haben. Und hier wird es heikel. Stellt sich der Parteitag mehrheitlich hinter die Forderungen von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, dem designierten Spitzenduo der SPD, zusätzliche 450 Milliarden Euro zu investieren, zwölf Euro als Mindestlohn einzuführen und den Preis für klimaschädliches Kohlendioxid auf 40 Euro je Tonne zu heben, würde Scholz vom machtvollen Vizekanzler zum Boten der Parteispitze degradiert - der sich zudem verprügeln lassen müsste, sollte er zurückkommen mit einem: Hat nicht geklappt.

Die Alternative klingt nicht besser. Rücken die neuen Chefs ab von den Forderungen, für die sie gewählt worden sind, wird schnell von einer Mogelpackung die Rede sein, und die SPD wird weiter an Zustimmung verlieren. Gibt es einen Königsweg, der beides zusammenführt, die neue Parteispitze und Scholz mitsamt des gesamten Regierungsteams? Olsen jedenfalls hatte nach jeder Niederlage einen neuen Plan. Ob die SPD und Scholz einen haben, wird der Parteitag zeigen. Eines jedenfalls kann man Scholz nach diesem Ritt durch zwei sozialdemokratische Regierungsjahre nicht mehr vorwerfen: dass er feige wäre.

© SZ vom 06.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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