Sahelzone:Europas Rolle

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Entsteht in Westafrika ein neuer "Islamischer Staat"? Zu Recht fordert Frankreichs Präsident Macron militärische Hilfe von Deutschland. Doch wer die Region dauerhaft befrieden will, muss die Ursachen der Gewalt bekämpfen.

Von Anna Reuß

Es ist im ureigenen Interesse Europas, den islamistischen Terrorismus in der Sahelzone zu bekämpfen. Im schlimmsten Fall könnte ein "Islamischer Staat" in Westafrika entstehen. Doch die französische Militäroperation Barkhane scheint in eine Sackgasse geraten zu sein. Angeheizt von einer starken antifranzösischen Stimmung wird in den Sahelstaaten die Kritik am Einsatz lauter. Die Truppen aus dem Ausland seien nutzlos und sogar Teil des Problems. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte deshalb für diesen Montag die Staatschefs der G-5-Sahelstaaten eingeladen. Er forderte ein Bekenntnis zur Militärpräsenz in den Ländern und zum Antiterrorkampf. Es geht um die Frage: Sind die französischen Truppen noch willkommen?

Zum anderen verlangte Macron mehr Unterstützung von den Verbündeten. Diese Forderung ist klar an Berlin gerichtet, wurde aber mehrmals abgelehnt. Allerdings zog das deutsche Verteidigungsministerium kürzlich eine düstere Bilanz: Islamisten könnten "uneingeschränkt agieren", und die Bevölkerung toleriere das. Eine erweiterte Militärmission mit deutscher Beteiligung, zum Beispiel im Rahmen eines stärkeren Mandats für die UN-Mission Minusma, wäre konsequent. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Mehrheit der Deutschen einen stärkeren Einsatz der Bundeswehr zur Lösung außenpolitischer Herausforderungen ablehnt.

Obwohl die Sahelstaaten alleine nicht in der Lage sind, die Islamisten zu schwächen, wollen immer mehr Menschen keine Hilfe von außen. Statt den Kampf gegen den Terrorismus isoliert zu betrachten, sollte die europäische Strategie deshalb an den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Problemen ansetzen.

Die Terroristen können sich ausbreiten, weil sie in den Dorfgemeinschaften erfolgreich Personal rekrutieren. Häufig ist das weniger das Ergebnis religiöser Indoktrinierung als eine rein pragmatische Entscheidung. Wer in einem Gebiet lebt, das von Terroristen kontrolliert wird, und sich die Flucht nicht leisten kann, hat kaum eine andere Wahl, als sich den Milizen anzuschließen. Die Gesellschaften der Sahelzone sind jung, in den kommenden 30 Jahren wird sich die Bevölkerung den UN zufolge verdoppeln, schon jetzt sind Millionen von Hunger bedroht. Dürreperioden und Rivalitäten zwischen Bauern und Hirten um Land und Wasser machen es Terroristen noch leichter, Anhänger unter den Perspektivlosen zu mobilisieren.

Wer die Region befrieden will, muss die Ursachen der Gewalt bekämpfen

Die politische Instabilität begünstigt den Anstieg der Gewalt. Was die Terroristen stärkt, ist die Schwäche der Staaten, die ihren Bürgen keine Sicherheit bieten können. In Mali bilden militante Gruppen eine Alternative zur politischen Elite in der Hauptstadt Bamako, die zum Teil von der Kriegswirtschaft profitiert. Gerade in Mali gibt es ein Gefälle zwischen dem ärmeren Norden und dem Süden, der lange vom Konflikt verschont blieb. Die bisherige Strategie des Westens hinterfragt solche innenpolitischen Prozesse kaum.

Der europäische Militäreinsatz führte bislang zu bescheidenen Ergebnissen. In Burkina Faso, Mali und Niger starben vergangenes Jahr fünfmal mehr Menschen bei terroristischen Angriffen als 2016. Ohne Unterstützung von außen würden die staatlichen Strukturen wohl zusammenbrechen. Die Folgen für die Nachbarstaaten am Golf von Guinea wären verheerend. Europa muss eingreifen. Wer die Terroristen aber langfristig schwächen will, sollte die Ursachen der Gewalt angehen.

© SZ vom 14.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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