Sahel-Zone:Zur Einladung eine Drohung

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Frankreichs Präsident verlangt von den Sahel-Staaten und den Verbündeten mehr Einsatz im Anti-Terror-Kampf und stellt den Einsatz in Mali infrage. Dabei könnte auch Deutschland eine Rolle spielen.

Von Daniel Brössler, Paul-Anton Krüger, Anna Reuß, München

Fünf Hubschrauber der französischen Armee waren in Mali abgehoben, um islamistische Terroristen in der Region Liptako zu stellen, dem Grenzgebiet zu Niger und Burkina Faso. Was am 25. November als Routinemission im Zuge der Operation Barkhane begann, endete mit dem schwersten militärischen Verlust Frankreichs seit 1986. Ein Tiger-Kampfhubschrauber kollidierte in der Luft mit einem Cougar-Transporthelikopter, 13 französische Soldaten starben. Damit stieg die Zahl der Gefallenen seit Beginn der französischen Intervention im Jahr 2013 auf 42. Bei einer bewegenden Trauerfeier im Ehrenhof des Invalidendoms in Paris würdigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron jeden einzelnen der Soldaten persönlich.

Zwar war es ein Unfall in einem komplexen Einsatz, dennoch nimmt Macron das nun zum Anlass, politische Konsequenzen zu verlangen. Von den fünf Sahel-Staaten, in denen Frankreich gegen islamistische Extremisten kämpft, fordert er ein klares Bekenntnis. Es könne nicht sein, dass es dort anti-französische Tendenzen gebe, die von den Regierenden geteilt würden, sagte er nach dem Nato-Treffen in London. Es brauche ein neues "Rahmenwerk und politische Bedingungen". Dafür bestellte Macron die Präsidenten von Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad zu einem Gipfel am 16. Dezember in Pau - die Mehrheit der getöteten Soldaten diente in einer dort beheimateten Einheit. Zum anderen verlangte Macron mehr Unterstützung der Verbündeten - er sieht die Mission als unabdingbar, um Europa vor neuen Anschlägen dschihadistischer Gruppen wie der Terrormiliz Islamischer Staat zu schützen. 4500 französische Soldaten sind derzeit in den sogenannten G5-Staaten stationiert, der Einsatz kostet Paris 600 Millionen Euro pro Jahr.

Der Einsatz kostet Paris 600 Millionen Euro pro Jahr

Der Tod der Franzosen hat in Berlin Eindruck gemacht. Es gibt Verständnis dafür, dass Macron angesichts des Blutzolls mehr Solidarität einfordert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in London, man müsse überlegen, was Europa beitragen könnte. Ähnlich hatte sie sich schon in der Generaldebatte im Bundestag geäußert, als sie auf eine deutsch-französische Initiative für Sicherheit in der Sahelzone verwies. "Wir werden weiter daran arbeiten - das möchte ich jedenfalls -, dass wir ein robustes UN-Mandat bekommen." Womit sie indirekt sagte, dass auf die Bundeswehr bei einem solchen Mandat eine Rolle zukäme.

Denn Deutschland kann schlecht für einen Einsatz werben, an dem es nicht bereit wäre sich zu beteiligen. Hinzu kommen die regelmäßigen Ermahnungen von Verteidigungsministerin und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Deutschland müsse sich darauf einstellen, mehr militärische Verantwortung zu übernehmen.

Bisher ist die Bundeswehr an der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali und an der UN-Mission Minusma beteiligt, für die der Bundestag den Einsatz von bis zu 1100 deutschen Soldaten genehmigt hat. Zwar ist die Mission bewaffnet, Aufgabe der Soldaten ist aber in erster Linie Beobachtung und Beratung. Zuständig ist sie auch für den Transport von Truppen und Verwundeten. Es sei eine "anspruchsvolle Mission", sagte Kramp-Karrenbauer bei einem Besuch des deutschen Kontingents in Gao im Oktober. Allerdings fragte sie später auch: "Haben wir wirklich überzeugende Gründe, unseren Beitrag auf Aufklärung und Unterstützung zu beschränken?"

Trotz der Truppenpräsenz verschlechtert sich die Sicherheitslage drastisch

In Berlin wird nun spekuliert, ob und wie Deutschland die von Paris geführte Barkhane-Truppe verstärken könnte. In jedem Fall stehen dem hohe verfassungsrechtliche wie innenpolitische Hürden entgegen - die SPD dürfte einer gefährlichen neuen Bundeswehr-Mission kaum zustimmen. Sollte eine von der Bundesregierung angestrebte Libyen-Konferenz in Berlin zustande kommen und erfolgreich sein, stünde Deutschland überdies in der Pflicht, dort einen Friedensprozess abzusichern.

In Frankreich ist der Rückhalt für den Einsatz im Volk stabil; laut der jüngsten Umfrage befürworten ihn 58 Prozent. Dennoch stellt Macron den Abzug der Truppen in den Raum. Denn in den Sahelstaaten wächst die Kritik an Frankreich und dem militärischen Vorgehen: Der Einsatz sei nutzlos, gar ein Teil des Problems. Seit Monaten protestieren Menschen vor allem in Mali und Burkina Faso immer wieder.

Zugleich verschlechtert sich die Sicherheitslage in der Sahelzone drastisch. In Mali habe sie nun eine "kritische Schwelle" erreicht, berichtet der UN-Experte Alioune Tine nach einem zehntägigen Besuch. Staatliche Institutionen seien in vielen Teilen des Landes nicht mehr präsent. 2018 wurden in den G5-Staaten viermal so viele Terroropfer gezählt wie noch 2012. Allein in Burkina Faso starben bei zwei Anschlägen auf eine Kirche und einen Konvoi eines kanadischen Goldproduzenten im November 52 Menschen. Ein Truppenabzug in dieser Lage würde höchstwahrscheinlich zum endgültigen Zusammenbruch der staatlichen Strukturen in Teilen der Sahelstaaten führen. Diese Erkenntnis, darauf setzt Macron offenbar, teilen die Staatschefs aus der Region wie auch die europäischen Verbündeten.

© SZ vom 06.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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