Sachsen:Dresdner widersprechen

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Mit Plakaten und Fahnen ziehen Tausende Menschen durch Dresden. Am vierten Jahrestag der Pegida-Bewegung wollen sie ein Zeichen setzen – gegen Rassismus und für Weltoffenheit. (Foto: Oliver Killig/dpa)

Tausende demonstrieren gegen Pegida. Auch Kretschmer beteiligt sich als erster sächsischer Ministerpräsident am Protest gegen die Bewegung.

Von Ulrike Nimz, Dresden

Etwa 10 000 Menschen haben am Sonntag in Dresden für ein solidarisches Miteinander und gegen Rassismus demonstriert, darunter der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Unter dem Slogan "Herz statt Hetze" zog ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften und Vereinen durch die Innenstadt. Anlass war der vierte Jahrestag der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung.

In seiner Rede vor dem Dresdner Rathaus sprach Kretschmer von einem "tollen Signal" der nunmehr lauten Mehrheit. Man sei zusammengekommen, um sich den Werten eines demokratischen Miteinanders zu vergewissern. "Wir selbst haben es in der Hand, ob Menschen aus allen Regionen dieser Welt sich in unserer Stadt wohlfühlen", so der Ministerpräsident. Er forderte die Dresdner auf, zu widersprechen, wenn andere beleidigt und respektlos behandelt würden. "Wenn wir morgen in die Straßenbahn steigen und erleben, dass eine Frau mit Kopftuch beschimpft wird, dann müssen wir uns vor sie stellen und sagen: Das macht man nicht."

Es war das erste Mal, dass ein sächsischer Regierungschef sich an Protesten gegen Pegida beteiligte. Nirgendwo ist das ambivalente Verhältnis der sächsischen CDU zu Kräften rechts der so genannten Mitte in der Vergangenheit deutlicher zutage getreten als in Dresden. Lange vor Pegida spaltete der 13. Februar die Landeshauptstadt. Der Tag, an dem die Dresdner der Zerstörung durch alliierte Bomber gedenken und über Jahre Tausende Neonazis an die Elbe reisten. Lange stritt die Stadt um das richtige Konzept, diesen "Trauermärschen" zu begegnen. Statt sich Demokratiefeinden geschlossen zu stellen, bekämpften sich die politischen Lager untereinander. Auch nach dem Aufkommen von Pegida hatte die CDU um eine eindeutige Haltung gerungen. 2015 ließ sich der damalige Ministerpräsident Stanislaw Tillich mit dem Satz zitieren: "Der Islam gehört nicht zu Sachsen". Erst als es am 3. Oktober 2016 anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit zu Pöbeleien und tumultartigen Szenen gekommen war, ging die Partei deutlich auf Distanz.

Kretschmer räumte in seiner Rede ein, dass es zu lange gedauert habe, den richtigen Umgang mit "diesem Protest" zu finden, "diesen ausländerfeindlichen Parolen, diesen Bildern von Galgen, die herumgetragen werden". Gleichzeitig mahnte er, trotz Meinungsverschiedenheiten aufeinander zuzugehen. Die Türen der sächsischen Staatsregierung stünden offen. "Niemand kann sagen, mit mir ist nicht gesprochen worden." Doch müsse ein Dialog von Anstand und Haltung geprägt sein.

Im Oktober 2014 gingen die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" erstmals auf die Straße. Zogen die Demos anfangs bis zu 20 000 Menschen an, mobilisiert die Riege um Lutz Bachmann montags noch etwa 2000. Dem Aufruf zur Kundgebung "Vier Jahre Widerstand" folgten am Sonntag etwa 4000 Anhänger. Hunderte Demonstranten hielten in Hör- und Sichtweite lautstark dagegen.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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