Sachsen:Der Gegen-Dobrindt

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Alexander Dobrindt spricht von der "bürgerlich-konservativen Achse" zwischen Bayern und Sachsen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat er damit keinen Gefallen getan. Kernige Worte taugen wenig an der Spitze eines gespaltenen Landes.

Von Ulrike Nimz

In der Politik ist es nicht nur wichtig, wo man steht, sondern immer auch, wie: Als Alexander Dobrindt am letzten Tag der CSU-Klausur im Kloster Seeon sehr dicht neben Michael Kretschmer stand und von der "bürgerlich-konservativen Achse" zwischen Bayern und Sachsen sprach, klang das nach Gefechtsformation und sah nach Schulterschluss aus. Die Botschaft: Hier sprechen zwei dieselbe Sprache. Tatsächlich hat der CSU-Mann Sachsens neuem Ministerpräsidenten damit nicht unbedingt einen Gefallen getan.

Sachsen und Bayern haben durchaus etwas gemeinsam: zwei stolze Freistaaten, seit Ewigkeiten unionsregiert, eine krachend verlorene Wahl. In beiden Ländern erhielt die AfD zweistellige Ergebnisse, in Sachsen wurde sie stärkste Kraft. Darüber hinaus aber klaffen die Realitäten auseinander, nicht nur, wenn es um Kirchenbesuche und Bruttoinlandsprodukt geht. Die Menschen mögen von Zittau bis Zwiesel die AfD gewählt haben, aber mit unterschiedlichen Motiven. Während es in Bayern hauptsächlich darum ging, die zerstrittenen Christsozialen abzuwatschen, wählte ein Teil der Sachsen sehr bewusst diese vermeintliche Alternative: Weil er Niedriglöhne leid ist. Weil eben nur Frauke Petry in die örtliche Turnhalle gekommen war. Weil Menschen, die sich fremd im eigenen Land fühlen, dazu neigen, fremdenfeindliche Parteien zu wählen.

Die AfD ist ein politisches Gewächs, das auch durch Sprache gedüngt wird. Mag sie in Bayern noch oberflächlich sprießen - in Sachsen hat die Partei längst Wurzeln geschlagen. Stanislaw Tillich, der das geflügelte Wort vom "Bayern des Ostens" als Kompliment verstand und einst feststellte, dass "der Islam nicht zu Sachsen gehört", ist über diese Wurzeln gestürzt. Der dienstälteste deutsche Ministerpräsident musste die Verantwortung an den dann jüngsten abtreten. Kretschmer weiß, dass sein Erfolg auch daran gemessen wird, was er anders macht als sein Vorgänger.

Während Tillich sich oft wegduckte oder Fachminister zu Problemen Stellung beziehen ließ, suchte Kretschmer noch in der ersten Woche seiner Amtszeit das Gespräch mit Lokalpolitikern und Lehrern, im Fernsehen, live. Plötzlich konnten die Sachsen zur Primetime einem Premier zuschauen, der sich nicht windet, sondern etwas will. Der Polterern auf Augenhöhe begegnet, aber nicht nach dem Mund redet.

Kernige Worte taugen wenig an der Spitze eines gespaltenen Landes

Zwar war auch Kretschmer, bevor er sein Bundestagsmandat an einen AfD-Mann verlor, nicht gerade durch liberale Ansichten aufgefallen. Er begrüßte Viktor Orbáns Grenzzaun. Das Adoptionsrecht für Homosexuelle lehnte er mit den Worten ab: "Ich finde, es reicht auch mal." Die Einladung aus Bayern kommt ja nicht von ungefähr. Seit der Wahl zum Ministerpräsidenten aber ist der Ton moderater geworden. In seiner Neujahrsbotschaft nannte Kretschmer den gesellschaftlichen Zusammenhalt als wichtigstes Ziel. Markige Worte taugen wenig an der Spitze eines gespaltenen Landes.

"Wer an die Zukunft denkt, soll an Sachsen denken", sagte Kretschmer bei der Vorstellung seines neuen Kabinetts, er muss den Blick zwingend nach vorn richten. Alexander Dobrindt sehnt sich öffentlichkeitswirksam nach dem Gestern und nennt es "Revolution". Diese CSU kann für Kretschmer kein Vorbild mehr sein. Wenn er jetzt als Bildungsexperte in Berlin mit am Sondierungstisch sitzt, dann vielleicht auch, weil er eines schnell verinnerlicht hat: In der Politik ist es nicht nur wichtig, was man sagt, sondern immer auch, wie.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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