Russland:Verhaftung heizt Spekulationen an

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Michail Abysow hinterließ als Minister wenig Eindruck. (Foto: Pavel Golovkin/AP)

Der frühere russische Minister Michail Abysow soll Milliarden gestohlen haben.

Von Silke Bigalke, Moskau

Als Michail Abysow am Dienstag verhaftet wurde, begannen sofort die Spekulationen. Nicht etwa über Schuld und Unschuld des früheren russischen Ministers wird seither in allen Medien diskutiert. Es geht um die Frage, wem seine Festnahme nützt und wem sie schadet. Michail Abysow gilt als Vertrauter von Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew. Nun drohen ihm bis zu 20 Jahre Lagerhaft, weil er eine kriminelle Vereinigung gegründet und vier Milliarden Rubel gestohlen haben soll. Der 46-Jährige bestreitet die Vorwürfe.

Als Politiker hatte Abysow eher wenig Eindruck hinterlassen. Den Ministerposten hatte Medwedjew neu geschaffen, Abysow sollte das Projekt "Offene Regierung" für ihn leiten. Dahinter stand ein besonderer Plan: 2012 musste Medwedjew das Präsidentenamt nach nur einer Amtszeit räumen und für Wladimir Putin Platz machen. Deswegen wollte er seine Ideen zur Modernisierung auf die Regierungsebene hinüberretten.

Das Projekt "Offene Regierung" war ein wichtiger Teil davon. Es sollte die Zusammenarbeit zwischen Regierung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft koordinieren und die Arbeit der Behörden transparenter machen. Doch das Projekt blieb vage und war politisch nicht erfolgreich. Als Abysow sein Amt 2018 verließ, weil es nach Putins dritter Wiederwahl abgeschafft wurde, blieb er vor allem als eines der reichsten Regierungsmitglieder in Erinnerung.

Das Ermittlungskomitee, das als Strafverfolgungsbehörde direkt dem Präsidenten unterstellt ist, wirft ihm nun vor, Anführer einer kriminellen Gruppe zu sein. Die Details sind zunächst nicht bekannt geworden. Grob geht es darum, dass er und fünf weitere Verdächtige zwei Energiekonzerne in Sibirien um umgerechnet 55 Millionen Euro betrogen haben sollen. Das Geld schafften sie demnach ins Ausland. Michail Abysow lebt Medienberichten zufolge die meiste Zeit in Italien und den USA. Nun bleibt er für mindestens zwei Monate in Untersuchungshaft.

Abysow war ein erfolgreicher Geschäftsmann im Energiesektor, bevor er in die Politik ging, und hat sich dort mächtige Feinde gemacht. Es kursieren verschiedene Theorien dazu, wer sich seinen Niedergang wünschen könnte. Doch in einem sind sich die Kommentatoren einig: Die Bilder von Abysow hinter Gittern lassen auch Medwedjew schlecht oder zumindest schwach aussehen. Selbst wenn der Premier nie eng mit dem Geschäftsmann befreundet war, war dieser doch sechs Jahre lang Teil seines Teams. Medwedjews Sprecher hat zwar betont, bei den Vorwürfen gehe es um Abysows Geschäfte, nicht um seine Arbeit als Minister. Doch in Russland verschwimmt das eine oft mit dem anderen.

Hinzu kommt, dass 2017 bereits Medwedjews Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew wegen Korruption zu acht Jahren Straflager verurteilt wurde. Und Arkadij Dworkowitsch, ebenfalls Berater und später Vize-Ministerpräsident, bekam 2018 keinen Platz mehr in Putins Kabinett. Der liberale Flügel wurde so Stück für Stück geschwächt, der Kreis früherer Mitstreiter Medwedjews bröckelt. Der Ministerpräsident ist auch in der Bevölkerung unbeliebt, die vor allem ihm die Schuld an unpopulären Reformen und sozialen Problemen gibt.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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