Russland:Nach Putins Regeln

Warum der Präsident so eilig über die Verfassung abstimmen lässt.

Von Silke Bigalke

Bestenfalls ist die Pandemie verlangsamt, dennoch drückt Wladimir Putin aufs Tempo. Bereits in einem Monat soll Russlands Bevölkerung über seine Verfassungsreform abstimmen. Für Putin ist es das wichtigste Votum seit Jahren. Wie viele Menschen sich in den Wahllokalen anstecken, wie aussagekräftig das Votum ausfällt, erscheint zweitrangig. Der Präsident will die Reform abschließen, die seine Macht ausbaut.

Aus Putins Sicht ist der Zeitpunkt gut gewählt. Die ersten Lockerungen bedeuten für die Menschen Erleichterung nach wochenlangem Hausarrest. Kurz vor dem Votum holt der Kreml dann die Siegesparade nach. Sie dürfte Wähler zusätzlich positiv und patriotisch stimmen. Mehr als zehntausend Soldaten auf dem Roten Platz, Millionen Wähler an den Urnen, das klingt angesichts russischer Infektionszahlen übereilt und unvernünftig. Doch Putin möchte die Menschen abstimmen lassen, bevor der Schrecken über höhere Arbeitslosigkeit und neue Armut einsetzt.

Das Votum verlangt besondere Regeln. Wähler tragen Mundschutz, Passdaten werden aus der Distanz kontrolliert. Wer manipulieren will, hat leichteres Spiel. Die Abstimmung ist rechtlich ohnehin nicht bindend, sie soll Putins Verfassungscoup den Anschein von Legitimität geben. Wie legitim sie tatsächlich ist, erscheint fraglicher denn je.

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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