Russland:Mit Puck und Putin

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Michail Mischustin war bisher Leiter der Steuerbehörde. (Foto: Mikhail Klimentyev/dpa)

Russlands neuer Premier teilt mit Putin die Eishockey-Leidenschaft - und den überraschenden Karrieresprung.

Von Paul Katzenberger, Moskau

Die überraschende Ernennung von Michail Mischustin zum Chef der russischen Regierung ruft Erinnerungen an den Beginn der Karriere Wladimir Putins hervor. Auch der damalige Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB war öffentlich kaum bekannt, als ihn Präsident Boris Jelzin im August 1999 zum Ministerpräsidenten ernannte. Das gilt nun auch für Mischustin, den Putin zum Nachfolger des überraschend zurückgetretenen Regierungschefs Dmitrij Medwedjew kürte. Seine Bestätigung durch die Duma am Donnerstag war eine Formsache. Dabei hat der bisherige Leiter der russischen Bundessteuerbehörde kaum politische Erfahrung. Er gehört auch keiner Partei an.

Unter Putin war die Arbeitsteilung bisher klar gewesen: Er verspricht Wohltaten, für Missstände werden andere verantwortlich gemacht. Nun zieht sich Medwedjew überraschend als Regierungschef zurück - wenn auch wohl nicht ganz freiwillig. Einen großen Unterschied gibt es bei den Bestellungen Putins und Mischustins allerdings schon. Putin war 1999 ausdrücklicher Wunschkandidat von Präsident Jelzin auch für seine Nachfolge im Kreml, als der ihn zum Ministerpräsidenten machte. Eine solche Empfehlung sprach Putin für Mischustin nun nicht aus. Beobachter gehen vielmehr davon aus, dass der 53-Jährige die Rolle eines technokratischen Platzhalters einnehmen soll.

Der groß gewachsene Mann wurde am 3. März 1966 in Moskau geboren. Mischustin ist verheiratet und hat drei Söhne. Er ist Mitglied im Aufsichtsrat des Eishockeyclubs ZSKA Moskau und spielte auch schon zusammen mit Putin. Das Faible für den russischen Nationalsport ist neben dem Karrieresprung etwas, was Mischustin und den Kremlchef verbindet.

Seine Karriere hatte er 1989 mit einem Studium am Institut für Werkzeugmaschinenbau begonnen. Später promovierte er in Wirtschaftswissenschaften, ließ sich zum Systemtechniker und Computerspezialisten ausbilden. Von 1999 bis 2004 war er im Kabinett von Ministerpräsident Michail Kassjanow stellvertretender Minister für Steuern und Abgaben. Als das Ministerium aufgelöst wurde, übernahm Mischustin zwei Jahre lang die Leitung der Bundesbehörde für Immobilienkataster.

2008 wechselte Mischustin für zwei Jahre in die Privatwirtschaft, doch schon im April 2010 zog es ihn zurück in den öffentlichen Dienst. Er wurde zum Leiter der russischen Bundessteuerbehörde ernannt. In dieser Funktion gilt er als sehr erfolgreich. Dank seiner IT-Kenntnisse, und weil er sich auch noch in Wirtschaft und Finanzwesen auskennt, trimmte er die Behörde durch den Einsatz digitaler Techniken auf Effizienz. Obwohl die Zahl der Steuerprüfungen, die oft als schikanös und korrupt bekannt waren, bei Unternehmen und Geschäftsleuten deutlich abnahm, haben sich die Steuereinnahmen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt - nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters auf zuletzt umgerechnet 298,7 Milliarden Euro für die ersten elf Monate 2019.

Trotzdem tauchte sein Name am Mittwoch zunächst nirgendwo auf, als es um die Frage ging, wer Medwedjew im Amt des Ministerpräsidenten beerben könnte. Als Kandidaten waren andere gehandelt worden: Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin, Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin oder der frühere Finanzminister Alexej Kudrin, ein langjähriger Vertrauter Putins, der sich oft kritisch über den Regierungskurs äußert. "Mischustin hat keine politische Erfahrung und keine Anhängerschaft beim Wahlvolk", schrieb Tatjana Stanowaja vom Moskauer Büro des Thinktanks Carnegie, auf Facebook. "Es scheint sehr wahrscheinlich zu sein, dass Mischustin einfach nur ein technokratischer Platzhalter ist."

© SZ vom 17.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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