Russland in der Krise:Putin muss liefern

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Russlands neuer alter Präsident hat Zeit für Eishockey, sagt aber den G-8-Gipfel ab - aus Zeitnot. Das zeigt, wie angespannt die Lage in Moskau ist. Ganz gleich, ob Bürger gegen das Staatsoberhaupt protestieren oder ein russischer Superjet an einem Berg zerschellt: Putins Visionen von der strahlenden Zukunft seines Landes werden regelmäßig durch die Wirklichkeit konterkariert.

Julian Hans

Der Kalender des neuen russischen Präsidenten ist vollgepackt. Kaum war bei der Feier zur Amtseinführung im Kreml der letzte Ton der Nationalhymne verklungen, hatte Wladimir Putin schon die ersten Dekrete unterzeichnet. Die Schlangen in russischen Ämtern sollen kürzer werden, die Zufriedenheit der Bürger mit den Behörden soll wachsen, ihre Lebenserwartung auf durchschnittlich 74 Jahre ansteigen.

Hat für Eishockey immer einen Platz im Terminkalender: Russlands Präsident Wladimir Putin.  (Foto: AFP)

Dann eilte Putin zu seinem ersten Termin: Ein Eishockeyspiel gegen eine Auswahl prominenter Sportler erforderte den vollen Einsatz des Staatsoberhaupts. Den Siegtreffer erzielte - Überraschung! - Wladimir Putin. Auf der Tribüne applaudierte Freund Silvio Berlusconi, das staatliche Fernsehen trug die Bilder ins Land.

Nun hat Putin zehn Tage vor Beginn seine Teilnahme am lange geplanten G-8-Gipfel abgesagt. Er sei mit der Bildung der neuen Regierung beschäftigt, teilte die Kremlverwaltung zur Begründung mit. Angesichts seiner vielen Verpflichtungen könne der Präsident "nicht überall sein". An seiner Stelle werde der neue Premier Dmitrij Medwedjew nach Camp David fahren. Ein gezielter Affront gegen die übrigen Gipfel-Teilnehmer oder eine Entscheidung in der Not?

Putin und Medwedjew präsentieren sich gern als Tandem. Die jetzt vollzogene Rochade zwischen beiden war seit mehr als einem halben Jahr bekannt, die Minister, die Medwedjew vorschlagen muss, werden den Präsidenten nicht wirklich überraschen. Um so mehr überrascht die kurzfristige Absage. Dass sich Putin bei seinem ersten wichtigen außenpolitischen Termin von seinem Vorgänger vertreten lässt, gibt eine Ahnung davon, wie angespannt die Lage in Moskauer Machtzirkeln derzeit ist.

Seitdem Putin im Oktober seine Kandidatur für eine dritte Amtszeit als Präsident angekündigt hatte, haben in der Hauptstadt immer wieder Zehntausende für faire Wahlen demonstriert. Zwischenzeitlich sind die Proteste kleiner geworden, doch seit der Amtseinführung treffen sich erneut jeden Tag Hunderte Oppositionelle zum Protest auf den Straßen und spielen mit der Sonderpolizei Räuber und Gendarm. Auch viele Bürger, die nicht so mutig sind, teilen ihren Vorwurf: Diese Macht ist nicht legitim.

Die Bilder von Russlands strahlender Zukunft, die Putin bei seinen Reden malt, werden regelmäßig von Katastrophenmeldungen aus der Wirklichkeit konterkariert. Rüstungsindustrie, Luft- und Raumfahrt sollen nach seiner Auffassung wieder zum Motor von Innovation und Wirtschaftswachstum werden. Doch schon verfehlt ein Satellit seine Umlaufbahn und stürzt in den Pazifik.

Und der neue Superjet 100 des russischen Herstellers Suchoi zerschellt bei einem Vorführflug mit potentiellen Kunden an Bord in der indonesischen Wildnis. Putin muss also dringend liefern, bevor der Eindruck entsteht, er trete nur noch in Inszenierungen und mit schönen Versprechungen auf. Im Kreis der G 8 wird er jedenfalls nicht den starken Mann geben können.

© SZ vom 11.05.2012/mike - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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