Russland:Eine Gefahr?

Moskau verbietet die Zeugen Jehovas. Starker Staat gegen sektenartige Kleingruppe - da stimmt was nicht.

Von Frank Nienhuysen

Russland ist ein souveräner Staat, aber gerade gibt er sich sehr unsouverän. Seit 20 Jahren hat er Versuche unternommen, die Zeugen Jehovas zu bekämpfen, blieb dabei am Ende aber immer halbherzig. So mächtig blühte die orthodoxe Kirche auf, so gefestigt wirkte das Band aus Staat und Gesellschaft, dass die sektenartige Organisation Russland kaum etwas anhaben konnte. Jetzt aber schnappt Moskau zu. Die Zeugen Jehovas werden verboten, das Eigentum beschlagnahmt, die Mitglieder als Gefahr für die Gesellschaft bezeichnet.

Ja, das Klinkenputzen der Gemeinschaft kann furchtbar lästig sein, und es verdreht manchem Russen sicher den Kopf. Aber extremistisch und eine grundsätzliche Bedrohung sind die Zeugen Jehovas vor allem deshalb, weil Russland die Extremismus-Schwelle per Gesetz derart weit herabgesenkt hat, dass sie jederzeit mühelos übersprungen werden kann. Auch Religionsfreiheit ist in Russland Gesetz, spielt aber im aktuellen Fall keine Rolle.

Ein Jahr vor der Präsidentenwahl will der Staat nicht tolerant wirken, sondern einschüchternd - jedenfalls für jene, die abseitige Meinungen haben. Die umstrittene Religionsgemeinschaft kann mit militärischem Hurra-Patriotismus nichts anfangen, und sie kann sich auch nicht wehren. Selbst eine Klage am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist aussichtslos: Auch von dem lässt Moskau sich nichts sagen.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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