Rumänien:Zum eigenen Vorteil

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Věra Jourová, Justizkommissarin der EU, hat die rumänische Regierung gewarnt. Im Ernstfall werde sie alle Mittel einsetzen – gemeint ist wohl ein Rechtsstaatsverfahren. (Foto: Richard Wareham/imago)

Die Regierung in Bukarest lässt Korruptionsregeln lockern - Warnungen aus Brüssel zum Trotz. Kritiker sehen darin den Versuch, den PSD-Chef vor dem Gefängnis zu bewahren.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Ohne Rücksicht auf die Warnungen der EU-Kommission hat Rumäniens Parlament dafür gestimmt, das Korruptionsstrafrecht zu lockern. Die Verjährungsfristen für mehrere Delikte wurden verkürzt und die Zahlung von Schmiergeldern teilweise entkriminalisiert. Täter bleiben demnach straffrei, wenn sie sich innerhalb eines Jahres selbst anzeigen - vorausgesetzt, dass die Staatsanwaltschaft noch keine Ermittlungen begonnen hat.

Das Votum erfolgte auf Druck der Bukarester Regierung, die aus der postkommunistischen PSD und der liberalen Alde-Partei besteht. Kritiker vermuten als Ziel der Gesetzesänderungen, den mächtigen Parteichef der PSD vor dem Gefängnis zu bewahren: Liviu Dragnea, der momentan Parlamentspräsident ist, kann nicht Regierungschef werden, da er wegen Beihilfe zum Amtsmissbrauch zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden ist. Mitte Mai soll das Urteil der zweiten Instanz gegen den Sozialdemokraten Dragnea ergehen.

Erst Anfang April hatte Frans Timmermans, der zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, mit Gegenmaßnahmen gedroht, wenn eine "De-Facto-Straffreiheit" für hohe Amtsträger, die wegen Korruption verurteilt sind, beschlossen werden sollte. Vor Ostern hatte Justizkommissarin Věra Jourová im Europaparlament angekündigt, im Ernstfall alle "zur Verfügung stehenden Mittel" einzusetzen. Dies wurde als Indiz gewertet, dass die Kommission bald ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags gegen Rumänien beantragen dürfte, an dessen Ende ein Entzug der Stimmrechte im Europäischen Rat stehen könnte. Ähnliche Verfahren laufen gegen Ungarn und Polen. Ein Sprecher der Behörde sagte, dass die Gesetzesänderungen noch nicht in Kraft getreten seien, und erklärte: "Wir werden die verabschiedeten Maßnahmen nun sorgfältig prüfen, bevor wir über die nächsten Schritte entscheiden." Die Opposition in Bukarest kündigte eine Klage vor dem Verfassungsgericht an.

Die Vorgänge in Rumänien stehen nicht nur im Fokus, weil das Land seit Januar die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Die Europawahl setzt zudem die Parteienfamilien unter Druck, eine klarere Haltung zu umstrittenen Mitgliedern zu finden. Auf Druck von Timmermans, dem Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokraten, wurde die Mitgliedschaft der PSD "eingefroren", während die Europäische Volkspartei, zu der CDU und CSU gehören, die ungarische Fidesz-Partei von Viktor Orbán suspendiert hat. Der kleinere Partner der rumänischen Regierungskoalition gehört wiederum zur liberalen Alde-Parteienfamilie. Für den grünen EU-Abgeordneten Sven Giegold kommt das Votum des Parlaments in Bukarest einem "Frontalangriff auf den Rechtsstaat" gleich, auf den Europas Sozialdemokraten und Liberale reagieren müssten: "Am Ausschluss ihrer rumänischen Mitgliedsparteien führt jetzt kein Weg mehr vorbei."

© SZ vom 26.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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